Einleitung
Metaphern sind eine der traditionellen Analysekategorien der Diskurslinguistik germanistischer Prägung, prädikationsbasierte Frame-Analysen eine ihrer etablierten Analysemethoden. Auch das v. a. in der Medien- und Kommunikationsforschung verbreitete Konzept des Framing findet dort seit einigen Jahren immer stärkere Verbreitung, auch wenn es bislang noch nicht in derselben Breite rezipiert wird wie genuin linguistische Frame-Konzepte (für einen Überblick siehe Ziem [2013]). Im Folgenden sollen einige zentrale Anknüpfungspunkte zwischen dem in der Diskurslinguistik etablierten Frame-Begriff und dem Framing-Konzept diskutiert werden. Im Zentrum des Interesses steht dabei die Frage, wie sich Framings auf die Struktur semantischer Frames auswirken – und infolgedessen aus dieser ablesbar werden. In diesem Zusammenhang werden unterschiedliche Möglichkeiten betrachtet, bestimmte Wissenselemente im Diskurs (und folglich auch in den aus diesem extrahierten Frames) salient zu machen. Zu diesen Möglichkeiten zählt u. a. auch der Einsatz metaphorischer Konzeptualisierungen. Die Fruchtbarmachung des Framing-Konzepts für diskurslinguistische Frame-Analysen setzt daher zunächst einige Vorüberlegungen darüber voraus, wie Metaphern das Spektrum möglicher Füllwerte verändern, die an die konzeptuellen Leerstellen von Frames anschließbar sind. Die darauf aufbauenden Überlegungen werden in einem zweiten Schritt anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht, nämlich der Analyse der Metapher des faulen bzw. notleidenden Kredits im Diskurs ausgewählter Akteure des deutschen Finanz- und Bankensektors.
1. Frames und Metaphern als diskurslinguistische Analysekategorien
Nach seinem mehr oder weniger zeitgleichen Aufkommen in Linguistik, Soziologie und KI-Forschung fand der Frame-Begriff zunächst über lexikographisch motivierte Arbeiten Eingang in die germanistische Linguistik, wo er seit Mitte der 1990er Jahre insbesondere im Kontext der Diskurslinguistik zum Einsatz kommt (vgl. Ziem [2009: 209-211]). Als ganzheitliches Repräsentationsformat diskursiven Wissens sind Frames geeignet, alle gängigen diskurslinguistischen Analysekategorien gleichermaßen abzudecken und miteinander zu kombinieren. Diese umfassen sowohl die Analyse des in Diskursen vorkommenden Wortschatzes als auch Argumentations- und Metaphernanalysen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken, dass das Frame-Konzept bislang in der Mehrzahl der Fälle vorrangig für diskurssemantische Analysen diskursbestimmender Schlüssel- bzw. Schlagwörter verwendet wird (etwa der Konzepte IDENTITÄT und DEUTSCHE im Diskurs zur deutschen Einheit bei Fraas [1996a, 1996b]). Auch der Zusammenhang zwischen Frames und konzeptuellen Metaphern wurde bereits verschiedentlich thematisiert (siehe etwa Klein [2002] u. Ziem [2008a, 2008b]). Busse [2012: 772] bemerkt in diesem Zusammenhang:
Das hohe Potential der Frame-Semantik, semantische Strukturen und Prozesse zu veranschaulichen, zeigt sich gerade auch bei der semantischen Beschreibung von Metaphern, d.h. genauer, des Übertragungsprozesses, der die metaphorische Verwendung eines auch in anderer („nicht-metaphorischer“) Bedeutung vorhandenen Lexems inhaltlich motiviert.
Um zu ergründen, wie dieses Potenzial weiter nutzbar gemacht werden kann, sollen an dieser Stelle einige zentrale Gedanken zum Verhältnis von Frames und Metaphern herausgegriffen werden, die für die hier vorgestellte Untersuchung unmittelbar von Bedeutung sind – sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht. Diese betreffen v. a. die Frage, inwiefern sich auf Ebene der Strukturkonstituenten von Frames Unterschiede ergeben können, je nachdem, ob die frame-evozierende lexikalische Einheit metaphorisch oder nichtmetaphorisch gebraucht wird. Die Strukturkonstituenten von Frames umfassen konzeptuelle Leerstellen (Slots), Füllwerte (Filler) und Standardwerte (Default-Values).1 Bei Ersteren handelt es sich um übergeordnete Kategorien, in denen Aussagen über Sachverhalte und Dinge gemacht werden können. Minsky [1975: 246] verdeutlicht diesen Umstand in seiner Definition konzeptueller Leerstellen (bzw. in seiner Terminologie terminals) als „questions most likely to arise in a situation“. Füllwerte hingegen bezeichnen Antworten auf diese Fragen, die in Form konkreter Aussagen im Diskurs auftreten. In Abwesenheit konkreter Füllwerte machen schließlich Standardwerte verstehensrelevantes Wissen verfügbar. Die Bedeutung von Frames und der Zusammenhang zwischen ihren Strukturkonstituenten wird anhand des folgenden – simplen aber sehr eindrücklichen – Beispiels von Fillmore [1976: 29] deutlich:
If I tell you that I bought a new pair of shoes, you do not know where I bought them or how much they cost, but you know, by virtue of the frame I have introduced into our discourse, that there have got to be answers to those questions.
Der in diesem Beispiel aufgerufene COMMERCIAL TRANSACTION-Frame macht auch in Abwesenheit konkreter Füllwerte Wissen über die prototypischen Bestandteile eines Kaufereignisses verfügbar, also etwa, dass an einem solchen notwendigerweise nicht nur ein Käufer, sondern auch ein Verkäufer beteiligt ist, Geld gegen Ware getauscht wird und die Transaktion typischerweise an einem bestimmten Ort stattfindet.
Während Fillmore – in seinen frühen Arbeiten wie auch im Rahmen seines FrameNet-Projekts – v. a. an Verben als frame-evozierenden lexikalischen Einheiten interessiert ist (in obigem Beispiel BUY), finden Frames in der germanistischen Diskurslinguistik typischerweise bei der Analyse von Substantiven Anwendung. Der Zugang zu den mit substantivischen Benennungen verknüpften Wissensbeständen erfolgt dabei mit Hilfe von Prädikationsanalysen. Konerding [1993: 163] erklärt in diesem Zusammenhang:
Das stereotypische Wissen um eine Entität (Textur), die unter einer substantivischen Benennung fixiert ist, wird gerade über die Menge der usuellen Prädikationen rational zugänglich und im rationalen Diskurs kommunikativ exteriorisier- und/oder explizierbar.
Diese Menge an usuellen Prädikationen – bzw. in anderen Worten die Gesamtheit der möglichen gängigen Aussagen über eine Referenz – bilden das Prädikationspotenzial eines Frames.
1.1. Das Prädikationspotenzial von Frames – Definition und Vorüberlegungen
Der methodische Ansatz, in Frames gebundenes diskursives Wissen auf dem Wege von Prädikationsanalysen zu rekonstruieren, fußt, so Fraas [1996b: 5],
auf der Annahme, daß der sprachliche Zugang zu konzeptgebundenem Wissen über in einer Sprachgemeinschaft gebräuchliche Prädikationen möglich ist. Das Potential dieser Prädikationen, also das Potential der kommunikativ sinnvollen Kontextualisierungen eines Konzepts, ist mit Hilfe von Frames [aufgefaßt als systematisch aufgestellte Listen von Fragen, die das Kontextualisierungspotential von Konzepten vorgeben] darstellbar.
Die grundlegenden Analyseeinheiten frame-basierter Diskursanalysen sind somit die Prädikationen, die dem betrachteten frame-evozierenden Substantiv, der Referenz, zugesprochen werden. Das Prädikationspotenzial als Menge der Aussagen, die in einem bestimmten Kontext über eine bestimmte Referenz gemacht werden können, steckt dabei den Rahmen ab, innerhalb dessen sinnvoll über diese Referenz gesprochen werden kann.
In Zusammenhang mit Metaphern stellt sich dabei zunächst die Frage, inwiefern diese das Prädikationspotenzial von Frames verändern. Ziem [2008a: 308] formuliert diese Frage wie folgt:
Lassen sich einem Bezugsobjekt eines sprachlichen Ausdrucks beliebige Prädikate gleichermaßen zuschreiben? Ein fundamentaler Skeptiker müsste die Frage positiv beantworten. Dies zöge allerdings erhebliche Konsequenzen nach sich, u.a. die, dass zwischen metaphorischen und nicht-metaphorischen Gebrauchsweisen von Wörtern nicht mehr hinreichend differenziert werden könnte. Eine Metapher zu identifizieren, gelingt nämlich nur unter der Voraussetzung, dass es qualitative Beschränkungen usueller prädikativer Zuschreibungen gibt. So kann zwar die Größe eines dinglichen Bezugsobjektes mit unendlich vielen Prädikaten spezifiziert werden; dem Bezugsobjekt ließen sich aber dennoch nicht alle Eigenschaften gleichermaßen attribuieren.
Die Erkenntnis, dass die an die konzeptuellen Leerstellen von Frames anschließbaren Füllwerte qualitativen Beschränkungen unterliegen, bildet die Grundlage, auf der Unterschiede zwischen metaphorischen und nichtmetaphorischen Verwendungsweisen von Begriffen untersucht werden können. Die Annahme, dass die konzeptuellen Leerstellen von Frames spezifische Vorgaben in Bezug auf die an sie anschließbaren Füllwerte enthalten, findet sich bereits in einer der ersten Definitionen des Frame-Begriffs durch Minsky [1975: 212]:
We can think of a frame as a network of nodes and relations. The “top levels” of a frame are fixed, and represent things that are always true about the supposed situation. The lower levels have many terminals– “slots” that must be filled by specific instances or data. Each terminal can specify conditions its assignments must meet. […] Simple conditions are specified by markers that might require a terminal assignment to be a person, an object of sufficient value, or a pointer to a sub-frame of a certain type. More complex conditions can specify relations among the things assigned to several terminals.2
Auf das Prädikationspotenzial von Frames bezogen lässt sich daher Folgendes festhalten: Um Füllwerte an einen Frame anschließen zu können, müssen diese die Anschlussbedingungen einer seiner konzeptuellen Leerstellen erfüllen. Ziem [2008a: 308-311] verweist in diesem Zusammenhang auf die von Searle [1969: 126] formulierten Anforderungen in Bezug auf die Kompatibilität von Referenz und Prädikation:
The object must be of a type or category such that the predicate expression or its negation could be true or false of it. Correlative with the notion of any given predicate is the notion of a category or type of objects of which that predicate could be truly or falsely predicated. For example, correlative with the predicate “is red” is the notion of colored (or colorable) objects. “Is red” can be predicated only of objects which are colored or colorable. We can truly or falsely predicate “red” of windows, but not of prime numbers. We might put this point by saying “is red” presupposes “is colored”, following Strawson, where “presuppose” is defined contextually as: an expression a presupposes an expression b if and only if in order for a to be true or false of an object X, b must be true of X.
Die Kompatibilität von Referenz und Prädikat setzt Searle zufolge also voraus, dass Erstere einer Kategorie angehört, von deren Vertretern wahrheitsgemäß gesagt werden kann, dass das Prädikat auf diese zutrifft (oder auch nicht). Aus frame-semantischer Perspektive bedeutet dies, wie eingangs bereits erwähnt, dass eine Prädikation nur dann über eine spezifische Referenz aussagbar ist, wenn sie an die konzeptuellen Leerstellen des aufgerufenen Frames anschließbar ist. In Searles Beispiel etwa setzt die die Bezeichnung einer Referenz als „rot“ das Vorhandensein der konzeptuellen Leerstelle [Farbe] voraus. Fehlt diese in der Slot-Struktur des evozierten Frames, sind Aussagen über die Farbe der Referenz nicht ohne weiteres möglich. Die Erkenntnis „‘is red’ presupposes ‘is colored’“ ließe sich in frame-semantischen Begrifflichkeiten also wie folgt umformulieren: Der Füllwert ist rot lässt sich nur dann an einen evozierten Frame anschließen, wenn dieser über eine konzeptuelle Leerstelle [Farbe] verfügt. Auf ganze Frames bezogen lässt sich dieser Umstand – mit notwendigen Einschränkungen – durchaus in den Begrifflichkeiten von Leibniz [2002: 19-21] Monadenlehre und deren Prinzip praedicatum inest subjecto beschreiben:
[Es] steht fest, daß jede wahre Prädikation eine Begründung in der Natur der Dinge hat, und wenn ein Satz nicht identisch, d.h. wenn das Prädikat nicht ausdrücklich im Subjekt enthalten ist, so muß es doch virtuell in ihm enthalten sein. Die Philosophen nennen das inesse. So muß der Term des Subjekts immer den des Prädikats einschließen, so daß derjenige, der den Begriff des Subjekts vollkommen verstünde, auch urteilen könnte, daß ihm dieses Prädikat […] zukommt.
Diese Idee des Enthaltenseins ist auch in der Frame-Forschung von zentraler Bedeutung und wird typischerweise herangezogen, um zu erklären, wie durch die Evozierung eines Frames mit diesem verbundenes enzyklopädisches Wissen in Form von Standardwerten verfügbar gemacht wird.3 In diesem Sinne erklärt Minsky [1975: 212] „a frame may contain a great many details whose supposition is not specifically warranted by the situation“ (Hervorhebung S. V.). Leibniz’ Ausführungen sind jedoch dahingehend einzuschränken, dass das ihnen zugrunde liegende Verständnis von Realität mit den Prämissen der kognitiven Linguistik (siehe Evans [2012], Evans, Bergen & Zinken [2007]) nicht vereinbar ist. Der Gedanke eines „in der Natur der Dinge“ begründeten Wahrheitsanspruchs von Prädikationen ist dabei insofern problematisch, als er auf eine von der menschlichen Wahrnehmung unabhängige Essenz der Dinge verweist, die der menschlichen Kognition zwar zugänglich, aber nicht maßgeblich durch sie bestimmt ist. Die in der kognitiven Linguistik verankerte Vorstellung eines Konzeptsystems, das gemäß Evans [2012: 131-135] a) in seiner Struktur maßgeblich von der menschlichen Körperlichkeit und dem durch sie vorgegebenen Wahrnehmungsbereich geprägt ist, das b) darüber entscheidet, wie wir spezifische Erfahrungen wahrnehmen und auf diese reagieren, und c) sprachenspezifische, gruppenspezifische oder auch idiosynkratische Unterschiede aufweist, ist mit diesem Gedanken gewiss nicht vereinbar. Nichtsdestotrotz liefert Leibniz eine eingängliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen Referenz und Prädikation, die auch und gerade im Kontext diskurssemantischer Frame-Analysen nutzbar ist. Welche Prädikationen an die konzeptuellen Leerstellen eines evozierten Frames anschließbar sind, wird dabei nicht, wie von Leibniz angenommen, durch die Essenz der Referenz bestimmt, sondern durch das im entsprechenden Frame enthaltene Konzeptwissen sowie die Summe der in der jeweiligen Situation relevanten Kontextualisierungsbedingungen. Diesen Umstand fasst Langacker [1991: 61] treffend zusammen, wenn er feststellt:
Any cognitive structure – a novel conceptualization, an established concept, a perceptual experience, or an entire knowledge system – can function as the domain for a predication. Meaning is therefore sought in the realm of cognitive processing. It does not reside in objective reality, nor is the problem of semantic description revealingly formulated in terms of truth conditions. Even expressions describing an objective situation may differ in meaning depending on how the situation is construed.
Langacker spricht hier auch einen weiteren Aspekt an, der sowohl bei Searle als auch bei Leibniz kritisch zu betrachten ist, die Frage nämlich, ob und inwiefern das Kriterium des Wahrheitswerts auf Prädikationen anwendbar ist. Wo Leibniz und Searle von der Wahrheit (bzw. Nichtwahrheit) von Prädikationen sprechen, scheint im Kontext der epistemischen Diskurslinguistik eine Umdeutung angebracht, sodass das Prädikationspotenzial von Frames im Folgenden nicht als Menge der wahren Prädikate verstanden werden soll, die der Referenz zusprechbar sind, sondern vielmehr als Menge der Prädikationen, die in einer spezifischen Situation sinnvoll über diese ausgesagt werden können. Nicht die Übereinstimmung einer Prädikation mit einer (wie auch immer gearteten) objektiven Realität entscheidet über deren Auftreten bzw. Gültigkeit in Diskursen, sondern vielmehr die Plausibilität der Zuschreibung vor dem Hintergrund aller jeweils relevanten Faktoren. Mit Ziem [2008a: 409] lässt sich dies dahingehend präzisieren, dass „die Menge aller Prädikationen, mittels welcher der infrage stehende Frame […] näher bestimmt wird […] der Menge an konkreten Füllwerten [entspricht], die in dem entsprechenden Frame Instanzen bilden.“ Diese Menge der in einem Diskurs tatsächlich erfolgten Prädikationen bildet dabei typischerweise nur einen kleinen Teil des gesamten Prädikationspotenzials ab.
1.2. Metaphorische Erweiterungen des Prädikationspotenzials von Frames
Diese Vorüberlegungen zum Verhältnis von Referenz und Prädikation liefern eine wichtige Grundlage für die Beantwortung der Frage nach den Veränderungen, die metaphorische Konzeptualisierungen auf Ebene der Slot-Struktur von Frames bewirken. Dass es hier zu Veränderungen kommt, ist – wie Ziem feststellt (s. o.) – Grundvoraussetzung, damit der metaphorische Gebrauch lexikalischer Einheiten überhaupt von deren nichtmetaphorischer Verwendung unterschieden werden kann. Die Identifizierung von Metaphern setzt also zwingend voraus, dass diese das Spektrum der möglichen Prädikationen verändern, die an die konzeptuellen Leerstellen eines aufgerufenen Frames anschließbar sind. Wie aber wirken sich nun metaphorische Konzeptualisierungen konkret auf das Spektrum der möglichen (bzw. in einem Textkorpus tatsächlich realisierten) Prädikationen aus?
Die Beantwortung dieser Frage setzt zunächst ein Verständnis von Metaphern als konzeptuellen Tiefenstrukturen voraus, die im Diskurs in Form metaphorischer sprachlicher Ausdrücke an die Textoberfläche treten (vgl. Lakoff & Johnson [2003: 3-6]). Kövecses [2010: 4] definiert das Verhältnis von konzeptuellen und sprachlichen Metaphern wie folgt:
A conceptual metaphor consists of two conceptual domains, in which one domain is understood in terms of another. A conceptual domain is any coherent organization of experience. […] We thus need to distinguish conceptual metaphor from metaphorical linguistic expressions. The latter are words or other linguistic expressions that come from the language or the domain of the more concrete conceptual domain […].
Beide an einer metaphorischen Konzeptualisierung beteiligten lexikalischen Einheiten repräsentieren Frames, die konzeptuelles Wissen verfügbar machen. Beim Mapping zwischen diesen kommt es zu einer Übertragung von Wissenselementen von der Quell- in die Zieldomäne bzw. vom Quell- in den Zielframe. Ziem [2008b: 377] weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Standardwerten bei der Metaphernbildung hin:
Die Quelldomäne und die Zieldomäne bilden Inferenzbasen, die durch Frames derart strukturiert sind, dass konsolidierte Standardwerte der Quelldomäne entsprechende Leerstellen der Zieldomäne besetzen. So entsteht eine neue konzeptuelle Struktur – eben eine metaphorische Bedeutung.
Bei den von der Quell- in die Zieldomäne übertragenen Wissenselementen handelt es sich also zum einen um Standardwerte des Quellframes. Andererseits kann es auch zur Übertragung konzeptueller Leerstellen vom Quell- zum Zielframe kommen. Beide Prozesse verändern das Prädikationspotenzial des Zielframes dahingehend, dass durch das metaphorische Mapping Prädikationen möglich werden, die dem Zielframe für gewöhnlich nicht zuschreibbar sind – und das sowohl auf Ebene seiner konzeptuellen Leerstellen (Type-Ebene) als auch auf Ebene der konkreten Füllwerte, die an diese anschließbar sind (Token-Ebene).4
Dies lässt sich anschaulich am Beispiel der von Lakoff & Johnson [2003: 7-9] beschriebenen Metapher zeit ist geld darlegen. Diese verändert das Prädikationspotenzial des Frames ZEIT sowohl auf der Type- als auch auf der Token-Ebene: Auf der Type-Ebene des Frames etwa ist es erst auf Grundlage der Metapher zeit ist geld möglich, Zeit einen bestimmten Wert zuzuschreiben; Voraussetzung hierfür ist die Übertragung der konzeptuellen Leerstelle [Wert] des Frames GELD in den Frame ZEIT. Diese ist, in Anlehnung an Minsky (s. o.), in Form der Frage Welchen Wert hat Zeit? darstellbar. Auf der Token-Ebene des ZEIT-Frames erweitert die Metapher zeit ist geld das Prädikationspotenzial u. a. dahingehend, dass neue Antworten auf die Frage Was kann man mit Zeit tun? möglich werden: Erst wenn man Zeit als wertvolles, knappes Gut begreift, kann man sinnvoll sagen, dass man Zeit verschwendet, investiert, kauft etc.
Metaphern verändern also das Prädikationspotenzial von Frames, indem sie Aussagen über die Referenz in gänzlich neuen Kategorien ermöglichen bzw. die Zentralität einzelner Kategorien beeinflussen (Type-Ebene) oder das Spektrum möglicher Prädikationen erweitern, das durch die in der Slot-Struktur des Zielframes enthaltenen Kategorien vorgegeben ist (Token-Ebene). Metaphorische Verwendungsweisen von Begriffen zeichnen sich also durch die (potenziell systematische) Übertragung von Wissenselementen aus Quell- in Zielframes aus, die sich mit Hilfe prädikationsbasierter Frame-Analysen ermitteln lassen.
1.3. Frames und Framing
Eine weitere Frage, die für frame-semantische Metaphernanalysen von Bedeutung ist, betrifft das Verhältnis von Frames und Framing. Während das Frame-Konzept in der germanistischen Diskurslinguistik seit langem fest etabliert ist, erfährt das Framing-Konzept erst seit vergleichsweise kurzer Zeit wachsende Beachtung (siehe etwa Fraas [2013], Fraas & Meier [2013] und Ziem [2013]). Mit Entman [1993: 52] lässt sich dieses wie folgt definieren:
Framing essentially involves selection and salience. To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described.
Framing bezeichnet also die Auswahl bestimmter Aspekte einer wahrgenommenen (nicht einer objektiven!) Realität und deren besondere Herausstellung in kommunikativen Texten. Mit dieser Auswahl und Salientmachung bestimmter Einzelaspekte treten andere Details notwendigerweise in den Hintergrund. Damit bilden Framings eine wichtige Grundlage nicht nur für die Darstellung von Sachverhalten in Diskursen, sondern auch für auf diesen Darstellungen fußende Argumentationen, Handlungsempfehlungen etc. Framings im Sinne von Entman betreffen damit, wie Fraas [2013: 271] es formuliert, vorrangig den „Interpretations- und Perspektivierungsprozess“ kommunikativer Handlungen. Ziem [2013: 147] beschreibt Framing in diesem Sinne als Prozess der „teilweise strategisch-ideologisch gesteuerten Herstellung eines konzeptuellen Wissensrahmens bei der Textproduktion oder -rezeption“. Im Gegensatz dazu soll das Konzept des Framing hier nicht als auf die Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Texten bezogen verstanden werden, sondern vielmehr im Sinne linguistischer Frame-Konzepte als Prozess der internen Perspektivierung von Konzeptframes. Die von Entman beschriebenen kommunikativen Funktionen von Framings lassen sich in diesem Zusammenhang etwa anhand von Fillmores [1982: 125] Beispiel der Konzepte geizig und sparsam veranschaulichen:
From a frame semantics point of view, it is frequently possible to show that the same ‘facts’ can be presented within different framings, framings which make them out as different ‘facts’. Somebody who shows an unwillingness to give out money in a particular situation might be described by one person as STINGY (in which case the behavior is contrasted with being GENEROUS), and by another as THRIFTY (in which case a contrast is made with being WASTEFUL). The speaker who applies the STINGY: GENEROUS contrast to a way of behaving assumes that it is to be evaluated with respect to the behaver’s treatment of fellow humans; whereas the speaker who evaluates the behavior by applying to it a THRIFTY: WASTEFUL contrast assumes that what is most important is a measure of the skill or wisdom displayed in the use of money or other resources.
Die Bezeichnung einer Person als geizig oder sparsam stellt unterschiedliche Perspektiven auf einen (potenziell) identischen Sachverhalt dar. Welche Aspekte dieses Sachverhalts in den Vordergrund treten und welche in den Hintergrund, ist von den Standardwerten des jeweils evozierten Frames abhängig. Ein spezifisches Framing einer Situation lässt sich somit durchaus wörtlich als ein spezifischer Blickwinkel, als eine von mehreren möglichen Perspektiven verstehen, von denen aus diese Situation betrachtet werden kann. Dieser Blickwinkel wiederum ist ausschlaggebend dafür, wie die betrachtete Situation wahrgenommen und bewertet wird. Dieses Verständnis von Framing als spezifischer Blickwinkel auf Objekte, Sachverhalte etc. findet sich in der Frame-Forschung bereits bei Minsky, der sein Frame-Konzept vorrangig mit Blick auf die visuelle Wahrnehmung entwickelt; einzelne Frames stellen in seiner Theorie unterschiedliche Blickwinkel auf ein und dasselbe Objekt dar, die zusammen ein Frame-System bilden. In Bezug auf sprachliche Frames geht Minsky [1975: 212] davon aus, dass unterschiedliche Perspektiven u. a. auf unterschiedlichen metaphorischen Konzeptualisierungen beruhen können:
For visual scene analysis, the different frames of a system describe the scene from different viewpoints, and the transformations between one frame and another represent the effects of moving from place to place. For nonvisual kinds of frames, the differences between the frames of a system can represent actions, cause-effect relations, or changes in metaphorical viewpoint.
Im Rahmen diskurssemantischer Frame-Analysen lässt sich Framing als Auswahl spezifischer Prädikationen aus dem Prädikationspotenzial eines evozierten Frames definieren. Die Realisierung ausgewählter Prädikationen aus der Summe der mit dem Frame verbundenen prädikativen Möglichkeiten bestimmt dessen Konfiguration auf Type- und Token-Ebene.
1.3.1. Metaphorisches Framing
Dieses Verständnis von Framing als systematischer Hervorhebung bestimmter Aspekte zulasten anderer möglicher Konzeptualisierungen bietet direkte Anknüpfungspunkte an die Metapherntheorie Lakoffs & Johnsons [2003: 10], die dieses Phänomen unter den Begriffen des Highlighting und Hiding zusammenfassen und feststellen:
The very systematicity that allows us to comprehend one aspect of a concept in terms of another (e.g., comprehending an aspect of arguing in terms of battle) will necessarily hide other aspects of the concept. In allowing us to focus on one aspect of a concept (e.g., the battling aspects of arguing), a metaphorical concept can keep us from focusing on other aspects of the concept that are inconsistent with that metaphor.
Beschreibt man Argumentationen in Begrifflichkeiten körperlicher Auseinandersetzungen, werden andere Aspekte der beschriebenen Situationen notwendigerweise verdeckt. Metaphern erweitern also nicht nur das Prädikationspotenzial des Zielframes auf Type- und Token-Ebene, sondern kanalisieren dieses gleichzeitig auch dahingehend, dass bestimmte Elemente auf beiden Ebenen im Zuge der metaphorischen Konzeptualisierung salienter werden, während andere in den Hintergrund treten.
1.3.2. Framing auf Type- und Token-Ebene
Bei den bislang diskutierten Beispielen wurde das jeweilige Framing schwerpunktmäßig auf der Token-Ebene der evozierten Frames betrachtet: Sowohl die metaphorische Konzeptualisierung von Argumentationen als Krieg als auch die Bezeichnung einer Person als geizig oder sparsam erfordert spezifische Prädikationen, die an entsprechende konzeptuelle Leerstellen des evozierten Frames auf Type-Ebene anschließbar sind, also etwa:
(01) X liefert sich ein Wortgefecht mit Y.
(02) X ist geizig.
(03) X ist sparsam.
Jedoch kann auch in Bezug auf das Framing von Sachverhalten zwischen Type- und Token-Ebene unterschieden werden. Während frame-semantische Framing-Analysen auf Token-Ebene untersuchen, welche konkreten Füllwerte an die konzeptuellen Leerstellen des betrachteten Frames angeschlossen werden, steht bei der Analyse der Type-Ebene die Frage im Mittelpunkt, ob bestimmte Leerstellen überhaupt bedient werden, und wenn ja, in welchem Umfang. So ergibt sich zwangsläufig ein anderes Bild von einer Person (bzw. ein anderer Blick auf diese), je nachdem, ob sie vorrangig mit Prädikationen beschrieben wird, die an die Leerstelle [Aussehen] oder die Leerstelle [Charaktereigenschaften] anschließbar sind. Im Fall von metaphorischen Framings kann dabei – wie in Abschnitt 1.2 beschrieben – die Slot-Struktur des betrachteten Zielframes außerdem um konzeptuelle Leerstellen des Quellframes erweitert werden.
2. Der Frame FAULER KREDIT im Diskurs deutscher Banken
Die im ersten Abschnitt vorgestellten Aspekte sollen nun anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht werden, und zwar der frame-semantischen Analyse der Metapher des faulen Kredits im Diskurs ausgewählter Akteure des deutschen Finanz- und Bankensektors. Im Zentrum des Interesses stehen dabei weniger die durch die metaphorische Konzeptualisierung von Krediten als faul (d. h. als organische Substanz im weitesten Sinne) unmittelbar motivierten Veränderungen des Prädikationspotenzials des untersuchten Frames, sondern vielmehr diejenigen Veränderungen, die aus dem strategischen Gebrauch dieser Metapher durch die betrachteten Akteure erwachsen, d. h. das mit ihrer Verwendung verbundene Framing.5
2.1. Non-performing loans – Definition und alternative Bezeichnungen
Im Zuge der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise gelangte in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe finanzwirtschaftlicher Begriffe aus dem Fachdiskurs verstärkt in den Medien- bzw. Laiendiskurs und somit in eine breitere Öffentlichkeit, wo sie sich zum Teil dauerhaft etablieren konnten. Neben der Metapher der notleidenden Bank, dem wohl bekanntesten (und auch umstrittensten) Beispiel dieser Art, fanden auch verschiedene Bezeichnungen für sog. non-performing loans (NPLs) – also Kredite, deren Ratenzahlungen seit mehr als 90 Tagen überfällig sind – ihren Weg in den massenmedial vermittelten öffentlichen Diskurs. Neben Begriffen wie dem des leistungsgestörten oder ausfallgefährdeten Kredits waren es dabei v. a. zwei Metaphern, die im öffentlichen Diskurs stark präsent waren: die Metapher des faulen Kredits und die des notleidenden Kredits.
Betrachtet man verschiedene Begriffsdefinitionen, so kann der Eindruck entstehen, es handle sich bei diesen Metaphern um alternative Benennungen, die sich alleine in Hinblick auf ihren Fachlichkeitsgrad voneinander unterscheiden. Im entsprechenden Artikel auf Wikipedia etwa heißt es:
Notleidende Kredite (auch englisch Non-performing Loans oder NPL, Problemkredite, toxische Kredite oder umgangssprachlich faule Kredite) ist die Bezeichnung für Kredite, bei denen der Schuldner mit dem Schuldendienst in Rückstand gerät, sich deshalb im Schuldnerverzug befindet und die vom Gläubiger aus diesem Grunde einzelwertberichtigt werden müssen. [K03]
Dieser Eindruck wird durchaus bestätigt, wenn man die in unterschiedlichen Online-Nachschlagewerken verwendeten Bezeichnungen vor dem Hintergrund des Fachlichkeitsgrads der jeweiligen Publikation miteinander vergleicht (siehe Tabelle 1). So findet sich der Begriff des faulen Kredits typischerweise in Angeboten, die stärker popularisierend ausgerichtet sind, wie etwa den Nachschlagewerken der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) und Wikipedia. Während im entsprechenden Wikipedia-Artikel die Metapher des faulen Kredits explizit als umgangssprachliche Benennungsvariante gekennzeichnet ist, lässt sich auch in Bezug auf die beiden Online-Nachschlagewerke der BPB feststellen, dass der Fachlichkeitsgrad der Publikation mit der Verwendung spezifischer Bezeichnungen korreliert: Im von der BPB zur Verfügung gestellten Lexikon der Wirtschaft findet sich sowohl die Bezeichnung notleidender Kredit als auch die Bezeichnung fauler Kredit, wobei erstere als übergeordnete Bezeichnung des Eintrags dient. Im ebenfalls auf der Internetpräsenz der BPB verfügbaren Online-Lexikon HanisauLand, das sich an Kinder und Jugendliche richtet, findet sich hingegen nur die Bezeichnung fauler Kredit. In den untersuchten Internetangeboten, die sich eher an Experten richten, findet sich diese wiederum nicht: Sowohl im Gabler Wirtschaftslexikon als auch im Glossar der Deutschen Bundesbank wird mit Non Performing Loan bzw. notleidender Kredit jeweils nur eine fachsprachliche Variante angegeben.
Tabelle 1: Bezeichnungen für NPLs in verschiedenen Online-Nachschlagewerken6
Quelle | Verwendete Bezeichnungen |
Gabler Wirtschaftslexikon | Non Performing Loan |
Deutsche Bundesbank | notleidender Kredit |
Wikipedia | notleidender Kredit*, Non-performing Loan, fauler Kredit |
BPB (Lexikon der Wirtschaft) | notleidender Kredit*, fauler Kredit |
BPB (HanisauLand) | fauler Kredit |
2.2. Vorkommen in selbstreferenziellen Texten
Neben ihrem geringen Fachlichkeitsgrad scheint die Metapher des faulen Kredits im massenmedial vermittelten öffentlichen Diskurs darüber hinaus auch durch ein weiteres Merkmal gekennzeichnet zu sein: die Tatsache, dass sie als Stigmawort im Sinne von Hermanns [1994: 19] „Personen, Gegenstände, Sachverhalte irgendwie stigmatisiert.“
Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob und inwiefern diese Merkmale auch in Fachdiskursen – in diesem Fall dem Diskurs deutscher Banken – zu beobachten sind. Der Umstand, dass die Metapher des faulen Kredits im Mediendiskurs häufig stigmatisierend eingesetzt wird, macht dabei zunächst eine grobe Eingrenzung hinsichtlich der betrachteten Textsorten nötig. In einem ersten Schritt soll daher die Verwendung konkurrierender Benennungen bzw. Metaphern in selbstreferenziellen Texten deutscher Banken quantitativ erfasst werden. Diese Analyse erfolgt beispielhaft auf Grundlage eines Korpus, das sich aus den Geschäftsberichten der Jahre 2007–2017 der Commerzbank und der DZ Bank zusammensetzt. Diese Texte werden hier als selbstreferenziell verstanden, da sie per Definition vorrangig Informationen zu den Banken als Verfassern selbst enthalten. Diesen gegenübergestellt wird in einem zweiten Schritt die qualitative Analyse eines Korpus aus fremdreferenziellen Texten, Texten also, in denen Banken nicht vorrangig sich selbst, sondern externe Entitäten und Entwicklungen thematisieren (s. u.).
Wie aus Tabelle 2 ersichtlich wird, zeichnet sich in den Geschäftsberichten beider Banken ein deutliches Bild ab: Während die Bezeichnungen NPL und notleidender Kredit – wenn auch mit deutlichen quantitativen Unterschieden – von beiden Banken genutzt werden, findet sich im untersuchten Korpus keine einzige Okkurrenz für fauler Kredit. Dieser Befund lässt zunächst noch keine Rückschlüsse auf mögliche Gründe für das Fehlen der Metapher zu: Sowohl ihr niedriger Fachlichkeitsgrad als auch ihre stigmatisierende Wirkung könnten potenziell für ihre Nichtverwendung in Geschäftsberichten – als selbstreferenziellen Texten mit hohem Fachlichkeitsgrad – verantwortlich sein.
Tabelle 2: NPL, notleidender Kredit, fauler Kredit: Okkurrenzen in selbstreferenziellen Texten7
Non-performing loan (NPL) | Notleidender Kredit | Fauler Kredit | |
Commerzbank | 92 | 31 | – |
DZ Bank | 16 | 34 | – |
2.3. Vorkommen in fremdreferenziellen Texten
Betrachtet man fremdreferenzielle Texte deutscher Banken, so fällt auf, dass die Metapher des faulen Kredits darin, anders als in selbstreferenziellen Texten, durchaus vorkommt – wenn auch zugegebenermaßen vergleichsweise selten. Dieser geringen Zahl an Okkurrenzen wurde bei der Zusammenstellung des Untersuchungskorpus mit der Einbeziehung eines entsprechend langen Zeitraums Rechnung getragen: Insgesamt umfasst das Korpus 108 Texte aus dem Zeitraum 2007–2017, die von Akteuren des deutschen Finanz- und Bankensektors veröffentlicht wurden; die Auswahl erfolgte lexem- und akteursbasiert. Ausschlaggebend für die Aufnahme der Texte war demnach neben ihrer Urheberschaft die Verwendung der hier untersuchten Metapher. Auf deren Vorkommen hin wurden die Internetpräsenzen von insgesamt elf Akteuren des deutschen Finanz- und Bankensektors systematisch durchsucht.8 Bei den gefundenen Texten handelt es sich um verschiedene Textsorten, die typischerweise zum Zweck der Kundenwerbung bzw. Anlageberatung veröffentlicht wurden, darunter Kundenmagazine, Newsletter, Blogs und Berichte.
Die Untersuchung der Metapher erfolgte, wie in Abschnitt 1 beschrieben, mittels einer prädikationsbasierten Frame-Analyse. Die im Untersuchungskorpus vorkommenden Prädikationen wurden hierzu zunächst ermittelt. Die Analyse des Frames FAULER KREDIT erfolgte dabei in direkter Gegenüberstellung mit der des Frames NOTLEIDENDER KREDIT, wobei zu ersterem 274 und zu letzterem 183 Prädikationen aus dem Korpus extrahiert wurden.9 Auf deren Grundlage wurde in einem zweiten Schritt die Slot-Struktur der betrachteten Frames induktiv gebildet. Tabelle 3 enthält einen Überblick über die einzelnen Prädikationsklassen und Beispiele für die ihnen zugeordneten Prädikationen:
Tabelle 3: Slot-Struktur der Frames FAULER KREDIT und NOTLEIDENDER KREDIT
Slot | Prädikationen zur Bezeichnung: |
[Betroffene] | - der Entitäten, die von faulen/notleidenden Krediten betroffen sind (in Italien) |
[Volumen] | - der Menge fauler/notleidender Kredite (um 0,3 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent gesunken) |
[Handlungen Akteure] | - der Handlungen der betroffenen Akteure (Banken kämpfen mit ~) |
[Auswirkungen] | - der Folgen für die betroffenen Akteure (belasten die Märkte) |
[Definition] | - der Kategorien, in die faule/notleidende Kredite eingeordnet werden (sektorale Fehlentwicklung, Last, Gefahr) - der Eigenschaften/Bewertungen fauler/notleidender Kredite (häufig uneinbringlich, minderwertig) |
[Voraussetzungen Abbau] | - der Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um das Volumen fauler/notleidender Kredite zu verringern (Korrekturen der Bankgesetzgebung, des Insolvenzrechts) |
[Ort Auftreten] | - der Orte, an denen faule/notleidende Kredite anzutreffen sind (schlummern in den Bankbilanzen) |
[Gründe Auftreten] | - der Gründe für das Auftreten fauler/notleidender Kredite (zu starke Eingriffe in den Wohnungsmarkt) |
[Zeit Auftreten] | - des Zeitpunkts des Auftretens fauler/notleidender Kredite (werden in Wahljahren vergeben) |
[Alternative Bezeichnungen] | - der alternativen Bezeichnungen für faule Kredite (werden auch als „Non performing loans“ bezeichnet) |
[Wahrnehmung] | - der Aufmerksamkeit, die faule/notleidende Kredite erregen (der Fokus der EZB auf faule Kredite) - der Reaktionen, die sie auslösen (bereiten chinesischen Investoren Sorgen) |
Die Häufigkeit, mit der diese konzeptuellen Leerstellen im Korpus mit konkreten Füllwerten belegt wurden, wird in Tabelle 4 dargestellt:
Tabelle 4: Quantitative Verteilung der extrahierten Prädikationen
FAULER KREDIT | NOTLEIDENDER KREDIT | ||||
Slot | Anzahl | % | Slot | Anzahl | % |
[Betroffene] | 93 | 33,94 | [Volumen] | 45 | 24,59 |
[Auswirkungen] | 50 | 18,25 | [Betroffene] | 45 | 24,59 |
[Handlungen Akteure] | 38 | 13,87 | [Handlungen Akteure] | 30 | 16,39 |
[Volumen] | 33 | 12,04 | [Auswirkungen] | 19 | 10,39 |
[Definition] | 24 | 8,76 | [Vorauss. Abbau] | 15 | 8,20 |
[Vorauss. Abbau] | 13 | 4,74 | [Definition] | 13 | 7,10 |
[Ort Auftreten] | 8 | 2,92 | [Ort Auftreten] | 6 | 3,28 |
[Gründe Auftreten] | 7 | 2,55 | [Gründe Auftreten] | 5 | 2,73 |
[Zeit Auftreten] | 3 | 1,09 | [Wahrnehmung] | 4 | 2,19 |
[Alternative Bez.] | 3 | 1,09 | [Zeit Auftreten] | 1 | 0,55 |
[Wahrnehmung] | 2 | 0,72 | |||
GESAMT | 274 | 100,00 | GESAMT | 183 | 100,00 |
2.3.1. Framing auf Type-Ebene
Betrachtet man die Slot-Struktur der analysierten Frames, so fällt zunächst auf, dass diese sich qualitativ praktisch nicht voneinander unterscheiden; in beiden Fällen lassen sich dabei keine konzeptuellen Leerstellen ausmachen, die alleine auf die Erweiterung des Prädikationspotenzials der Referenzen durch deren metaphorische Konzeptualisierung als faul oder notleidend zurückführbar wären. Einziger Unterschied zwischen den untersuchten Frames ist das Vorhandensein der Leerstelle [Alternative Bezeichnungen] in der Slot-Struktur des Frames FAULER KREDIT. Diese wurde auf Grundlage von Belegstellen wie der folgenden gebildet, in der der Bezeichnung fauler Kredit eine Alternativbezeichnung an die Seite gestellt wird:
(01) Faule Kredite, sogenannte „Non performing loans“ (NPLs), haben den geretteten Banken das Leben schwer gemacht und stellen auch immer noch ein großes Problem für den europäischen Bankensektor dar. [K04] |
Abgesehen davon ergaben sich aus der Zuordnung der aus dem Korpus extrahierten Prädikationen identische Kategorien, die jedoch teilweise deutliche quantitative Unterschiede aufweisen. Am deutlichsten sind diese in Bezug auf die vier Leerstellen, die in beiden Frames am häufigsten mit konkreten Füllwerten belegt wurden: [Betroffene], [Auswirkungen], [Handlungen Akteure] und [Volumen]. So fällt auf, dass die Leerstelle [Auswirkungen] des Frames FAULER KREDIT fast doppelt so häufig mit Füllwerten belegt wurde wie die des Frames NOTLEIDENDER KREDIT; bei letzterem ist hingegen die Leerstelle [Volumen] deutlich ausgeprägter. Die negativen Auswirkungen von NPLs wurden im Korpus somit häufiger thematisiert, wenn diese als faule Kredite bezeichnet wurden. Bei Konzeptualisierungen als notleidende Kredite wiederum wurden signifikant häufiger Aussagen über die Höhe des Bestands an NPLs gemacht; auch wurden in Zusammenhang mit der Metapher des notleidenden Kredits häufiger Aussagen über die Voraussetzungen von deren Abbau gemacht, sodass auch die Leerstelle [Voraussetzungen Abbau] fast doppelt so häufig mit Füllwerten belegt wird wie im Fall des Frames FAULER KREDIT.
2.3.2. Framing auf Token-Ebene
Auf der Token-Ebene beider Frames finden sich eine ganze Reihe von Prädikationen, die unmittelbar auf metaphorische Konzeptualisierungen zurückzuführen sind. Besonders auffällig sind dabei verschiedene Füllwerte der Leerstellen [Volumen] und [Auswirkungen], die faule/notleidende Kredite als erdrückende Last konzeptualisieren:
(02) Der hohe Anteil notleidender Kredite infolge der langjährigen Rezession lastet schwer auf den Bilanzen. [K05] |
(03) [Der italienische Bankensektor wird] weiterhin von einem hohen Berg an notleidenden Krediten belastet. [K06]10 |
Das hohe [Volumen] von NPLs wird hier systematisch in Beziehung gesetzt zu ihren negativen [Auswirkungen] (lasten schwer auf den Bilanzen, belasten den italienischen Bankensektor), wobei sich entsprechende Konzeptualisierungen mehrfach in Zusammenhang mit Erstickungsmetaphern finden; Hand in Hand mit dieser Verknüpfung von [Volumen] und [Auswirkungen] geht dabei regelmäßig auch, wie in (04) zu beobachten, die [Definition] von NPLs als Last:
(04) Dagegen drohen die Banken in Griechenland und Zypern unter der Last fauler Kredite von 46 bzw. 45 Prozent der Forderungen zu ersticken. [K08] |
(05) Zu viele faule Kredite in den Büchern der Banken […] nehmen den Banken die Luft für neue Kreditvergabe […]. [K04] |
Ungeachtet dieser identischen metaphorischen Konzeptualisierungen bestätigt sich jedoch auch auf der Token-Ebene der untersuchten Frames der Eindruck, dass das Konzept des faulen Kredits negativer konzeptualisiert wird als das des notleidenden Kredits. Dies lässt sich exemplarisch anhand der in den konzeptuellen Leerstellen [Definition] und [Handlungen Akteure] der beiden Frames instanziierten Füllwerte zeigen: Während die in der Leerstelle [Definition] instanziierten Füllwerte im Fall des Frames FAULER KREDIT ausnahmslos negativ sind (siehe Beispiel (04)), finden sich in der entsprechenden Leerstelle des Frames NOTLEIDENDER KREDIT auch vereinzelt Zuschreibungen, die als neutral einzustufen sind, nämlich die Bezeichnung notleidender Kredite als Thematik oder Thema (siehe Tabelle 5). Mit insgesamt drei Okkurrenzen im Untersuchungskorpus machen diese immerhin knapp ein Viertel der in dieser Leerstelle instanziierten Füllwerte aus.
Tabelle 5: Im Slot [Definition] instanziierte Füllwerte
FAULER KREDIT [Definition] | NOTLEIDENDER KREDIT [Definition] |
ein großes Problem für den europäischen Bankensektor, eine der größten Herausforderungen der europäischen Wirtschaft, erhebliche Risiken, ein Teufelskreis, eine Gefahr, ein Problem, eine Achillesferse der italienischen Wirtschaft, ein gravierendes Problem, eine Last, eine Problematik, eine sektorale Fehlentwicklung | ein Problem, eine Problematik, Risiken, Risikofaktoren für den chinesischen Aktienmarkt, eine Thematik, ein Thema |
Ähnliches lässt sich auch in Bezug auf die Leerstelle [Handlungen Akteure] feststellen (siehe Tabelle 6). Auch hier sind die konkreten Füllwerte zwar in weiten Teilen identisch, es lassen sich jedoch gewisse Unterschiede ausmachen, die auf ein negativeres Framing des Frames FAULER KREDIT hindeuten. So finden sich hier etwa mehr Prädikationen, in denen die Bereinigung fauler Kredite als Kampf konzeptualisiert wird: Banken kämpfen oder ringen mit faulen Krediten oder versuchen, sich von diesen zu befreien (wobei eine vergleichbare Prädikation in Bezug auf notleidende Kredit im Korpus nur ein einziges Mal vorkommt). Darüber hinaus finden sich bestimmte Schlüsselwörter aus dem Diskurs um die Finanzkrise vorrangig im Frame FAULER KREDIT, wie etwa die Auflegung eines Hilfs- bzw. (Banken-)Rettungsfonds.
Tabelle 6: Im Slot [Handlungen Akteure] instanziierte Füllwerte
FAULER KREDIT [Handlungen] | NOTLEIDENDER KREDIT [Handlungen] |
aufkaufen, Abbau, in Bad Banks sammeln, von der Zentralbank toleriert, ausweisen, abschreiben, Bereinigung, von Bad Bank übernommen, von der EZB genauer geprüft, Vergabe in Wahljahren, Aufstockung von Rücklagen, Bildung einer Bad Bank, abgeschrieben, ausgereicht, verkauft, als Sicherheiten akzeptiert, über einen längeren Zeitraum abgeschrieben, Auflegung eines privaten Hilfsfonds, Verwandlung in subventionierte Endloskredite, kämpfen, individuelles Eingreifen, befreien, Bereinigung, Auflegung von Rettungsschirmen, Ringen, stärkere Einbeziehung privater Gläubiger, Veränderung der Gesetzgebung, Gründung eines Bankenrettungsfonds | Abbau, Fokussierung des Risikomanagements, bereinigen, an Bad Banks auslagern, Auslagerung, Verbriefung, Auflegung eines Hilfsprogramms, Bildung einer Task Force, Abwicklung, Veränderung der Geschäftskultur, kämpfen, abschreiben, Ankauf, Reduzierung, priorisiert, Übertragung, verwerten, abwickeln, an Investoren durchgereicht |
2.4. Faule Kredite? Haben nur die anderen!
Obwohl es sich bei fauler wie auch bei notleidender Kredit um prinzipiell negativ konnotierte Konzepte handelt, zeigen sich sowohl quantitative als auch qualitative Unterschiede auf Ebene der entsprechenden Frames. Inwiefern das damit verbundene Framing es rechtfertigt, den Begriff des faulen Kredits als Stigmawort zu bezeichnen, soll nun abschließend anhand eines Aspekts verdeutlicht werden, der bislang unerwähnt geblieben ist. Tatsächlich lässt sich diesem im Diskurs der Banken nämlich eine mitunter sehr präzise Rolle zuschreiben, und zwar die Abgrenzung von anderen. Dies wird deutlich, wenn man die in der Leerstelle [Betroffene] instanziierten Füllwerte betrachtet (siehe Tabelle 7). Deren Verteilung zeigt deutlich, dass die betrachteten Metaphern von den Akteuren des deutschen Finanz- und Bankensektors praktisch ausschließlich in fremdreferenziellen Kontexten gebraucht werden, am häufigsten in Bezug auf Italien und andere Staaten Süd- bzw. Südosteuropas.
Tabelle 7: Im Slot [Betroffene] instanziierte Füllwerte
FAULER KREDIT [Betroffene] | NOTLEIDENDER KREDIT [Betroffene] | ||||
Filler | Anzahl | % | Filler | Anzahl | % |
Italien | 40 | 42,55 | Italien | 20 | 42,22 |
Deutschland | 6 | 6,38 | China | 8 | 17,78 |
Irland | 6 | 6,38 | Griechenland | 3 | 6,67 |
China | 6 | 6,38 | Zypern | 2 | 4,44 |
Südosteuropa | 4 | 4,26 | Südeuropa | 2 | 4,44 |
Griechenland | 4 | 4,26 | Eurozone | 2 | 4,44 |
Japan | 4 | 4,26 | Slowenien | 2 | 4,44 |
USA | 4 | 4,26 | Europäische Union | 1 | 2,22 |
Europäische Union | 3 | 3,19 | Schweden | 1 | 2,22 |
Spanien | 3 | 3,19 | Rumänien | 1 | 2,22 |
Portugal | 2 | 2,13 | Irland | 1 | 2,22 |
Zypern | 2 | 2,13 | Japan | 1 | 2,22 |
Frankreich | 1 | 1,06 | Frankreich | 1 | 2,22 |
Nigeria | 1 | 1,06 | Österreich | 1 | 2,22 |
International | 1 | 1,06 | |||
Österreich | 1 | 1,06 | |||
Der Westen | 1 | 1,06 | |||
Finnland | 1 | 1,06 | |||
Südeuropa | 1 | 1,06 | |||
Nordische Länder | 1 | 1,06 | |||
Niederlande | 1 | 1,06 | |||
Belgien | 1 | 1,06 | |||
GESAMT | 94 | 100,00 | GESAMT | 45 | 100,00 |
Besonders deutlich wird die Stigmatisierungsfunktion der Metapher des faulen Kredits, wenn man die Fälle betrachtet, in denen Deutschland als Füllwert in der Leerstelle [Betroffene] instanziiert wird: Hier wird nämlich typischerweise nicht etwa ausgesagt, dass Deutschland bzw. deutsche Banken von faulen Krediten betroffen sind, sondern das genaue Gegenteil (mit Ausnahme einer einzigen Prädikation, in der diese Aussage über die Hypo Real Estate – also sozusagen das schwarze Schaf der deutschen Bankenlandschaft – getroffen wird). Gleiches ist auch in Bezug auf den Füllwert der Westen festzustellen. Dies zeigt sich u.a. an folgenden Beispielen:
(06) In Ländern mit hohen Anteilen variabel verzinster Darlehen und einer insgesamt hohen Verschuldung können zusätzlich faule Hypotheken die Märkte belasten. Anders als beispielsweise die nordischen Länder betrifft Deutschland dieser Aspekt dank verbreiteter Festzinsen und einem moderaten Verschuldungsniveau allerdings weniger. [K09] |
Interessanterweise wird die Metapher auf unterschiedliche Regionen angewendet, je nachdem, ob Deutschland als Teil dieser Region dargestellt wird oder nicht.11 In Beispiel (07) etwa erfolgt die Abgrenzung zwischen japanischen und westlichen Banken. Gleiches ist auch in Beispiel (08) zu beobachten (aus dem weiter oben bereits ein Ausschnitt diskutiert wurde): Dort wird die Metapher des faulen Kredits in Zusammenhang mit Griechenland und Zypern verwendet wird, während die neutrale Bezeichnung NPL für die Ländergruppe, zu der Deutschland zählt, gebraucht wird (wobei in diese Gruppe mit Dänemark auch eines der Länder fällt, von denen Deutschland in Beispiel (06) abgegrenzt wurde).
(07) Die westlichen Banken sind mit Ausnahmen deutlich gesünder und haben weniger faule Kredite in ihren Bilanzen. [K10] |
(08) […] es bestehen noch immer extreme Unterschiede zwischen den Ländern. So bereiten Non Performing Loans (NPL) in Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Dänemark und Belgien wenig Probleme. In diesen Ländern fällt die NPL-Quote mit knapp zwei bis gut drei Prozent sehr niedrig aus. Dagegen drohen die Banken in Griechenland und Zypern unter der Last fauler Kredite von 46 bzw. 45 Prozent der Forderungen zu ersticken. Leidgeprüfte Bankensektoren finden sich auch in Portugal, Irland und insbesondere in Italien als wirtschaftlichem Schwergewicht. [K08] |
Fazit
Wie die Analyse der Frames FAULER KREDIT und NOTLEIDENDER KREDIT im Diskurs der untersuchten Akteure des deutschen Banken- und Finanzsektors gezeigt hat, handelt es sich dabei keineswegs um alternative Benennungen, die sich allein durch den Grad ihrer Fachlichkeit voneinander unterscheiden. Die Herausarbeitung der diskursspezifischen Konfiguration ihrer Leerstellen und Füllwerte zeigt vielmehr, dass mit der Verwendung dieser Konzepte jeweils ein spezifisches Framing des Phänomens NPL einhergeht. Werden beide Metaphern zur Bezeichnung eines grundsätzlich negativen Phänomens benutzt, so enthält nämlich der Frame FAULER KREDIT nichtsdestoweniger deutlich mehr negative Elemente als der Frame NOTLEIDENDER KREDIT, und das sowohl auf der Type- als auch auf der Token-Ebene; der Frame NOTLEIDENDER KREDIT hingegen weist tendenziell mehr Füllwerte auf, die als neutral gelten dürfen. Es sind dabei weniger die (im Untersuchungskorpus ohnehin nicht produktiven) metaphorischen Konzeptualisierungen von NPLs als faul oder notleidend oder aber die Konzeptualisierung fauler bzw. notleidender Kredite als Last oder Bedrohung für die betroffenen Finanzinstitute, die beide Konzepte am deutlichsten voneinander unterscheiden. Entscheidend ist der Umstand, dass die Metapher des faulen Kredits von den betrachteten Akteuren systematisch genutzt wird, um sich von anderen Ländern, Regionen oder Finanzinstituten abzugrenzen und diese zu stigmatisieren. Ihre Verwendung ist folglich nicht etwa eine Frage des Registers, sondern sie hat vielmehr den Status eines Stigmaworts, das im Diskurs strategisch und in einem klar umrissenen Kontext eingesetzt wird.