Politische Instrumentalisierung und Radikalisierung in Büchners „Danton’s Tod“ (1835): Ein Versuch, politische Agitation mit Methoden der Digital Humanities zu verdeutlichen

  • Political instrumentalisation and radicalisation in Büchner’s “Danton’s Death” (1835): An attempt to elucidate political agitation with methods from the digital humanities
  • Instrumentalisation et radicalisation politiques dans « La mort de Danton » (1835) de Büchner : une tentative de mettre en évidence l'agitation politique à l'aide des méthodes des humanités numériques

DOI : 10.35562/elad-silda.1453

Obwohl Georg Büchners Drama „Danton’s Tod“ von 1835 sich im deutschsprachigen literarischen Feld großer Beachtung erfreut, ist die Literaturwissenschaft vergleichsweise uneins darüber, wie der Text verstanden werden möchte. Dies liegt unter anderem an der unüberschaubaren Vielzahl an ambivalenten Figuren, Schauplätzen und Handlungsebenen sowie an der Abwesenheit von Sympathie- und Handlungsträgern, wie sie in einem politisch motivierten Stück üblicherweise zu erwarten wären. Der vorliegende Beitrag versucht mithilfe quantitativ ausgerichteter Methoden, die dem Forschungsparadigma der Digital Humanities verpflichtet sind, Aspekte und Zusammenhänge zu erhellen, die eine qualitative Lesart stützen können. Dies ist möglich dank einer von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften besorgten Online-Ausgabe, die den Text TEI-konform annotiert, womit grundlegende den Dramentext strukturierende paratextuelle Elemente einer maschinellen Auswertung zugrunde gelegt werden können. Im konkreten Falle wird hierfür die Programmiersprache Python genutzt. Die Absicht des Beitrages liegt dabei primär in der Illustration eines computergestützten Zuganges zu literarischen Texten, wenngleich auch einige qualitative Schlüsse über den Text gezogen werden. Beispielsweise lässt sich zeigen, dass die Gruppe der Dantonisten in Büchners Drama praktisch nicht an dem institutionalisierten juristischen Diskurs teilnimmt, der schlussendlich zu ihrer Verurteilung und Exekution führt. Insgesamt wird eine Gliederung des dramatischen Raumes festgestellt, die eine starke Trennung unterschiedlicher sozialer Gruppen und Funktionsträger umfasst. In Büchners Darstellung der Französischen Revolution werden mithin deren moralisches und demokratisches Fundament zur Diskussion gestellt, wenngleich das Stück gerade keine Lösung für die sichtbar gemachten Probleme bietet.

Although Georg Büchner’s 1835 drama “Danton’s Tod” (“Danton’s Death”) receives considerable acclaim in the German literary field, literary scholars are comparatively divided about how the text should be understood. This is partly due to the confusing multiplicity of ambivalent characters, settings, and plot levels, as well as to the absence of sympathetic characters and clearly marked protagonists, that would normally be expected in a politically motivated play. Using quantitatively oriented methods committed to the research paradigm of the Digital Humanities, this paper attempts to shed light on aspects and contexts that can in turn bolster qualitative interpretation. This is possible thanks to the online edition provided by the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities, which annotates the text in a TEI-conform way, so that fundamental paratextual elements structuring the dramatic text can be used as a basis for machine analysis. In this specific case, the programming language Python is used for this purpose. Accordingly, the primary intention of the paper is to illustrate a computer-based approach to literary texts, although some qualitative conclusions about the text are also drawn. For example, it can be shown that in Büchner’s drama the Dantonist group effectively does not participate in the institutionalized legal discourse that ultimately leads to the condemnation and execution of its members. Overall, a structuring of the dramatic space is detected that includes a strong separation of different social or institutional groups. In Büchner’s portrayal, the moral and democratic foundations of the French Revolution are thus called into question, even though the play offers no solution to the problems made visible.

Bien que le drame de Georg Büchner « Danton’s Tod » (« La mort de Danton ») de 1835 jouisse d’une grande estime dans le champ littéraire germanophone, les études littéraires sont relativement partagées sur la manière dont il faut comprendre le texte. Cela s’explique entre autres par le nombre très important de personnages ambivalents, de lieux et de niveaux d’intrigue, ainsi que par l’absence de personnages sympathiques et d’acteurs principaux, trait atypique pour une pièce de théâtre à caractère politique. Cet article tente, à l’aide de méthodes quantitatives qui s’inscrivent dans le paradigme de recherche des humanités numériques, d’éclairer des aspects et relations afin d’étayer une lecture qualitative. Ceci est possible grâce à une édition en ligne réalisée par l’Académie des sciences de Berlin-Brandebourg, qui annote le texte conformément à la norme TEI, ce qui permet d’utiliser des éléments paratextuels fondamentaux structurant le texte du drame comme base d’une analyse automatisée. Dans ce cas concret, le langage de programmation Python est utilisé. L’intention de cette contribution est en premier lieu d’illustrer une approche d’analyse de textes littéraires assistée par ordinateur, même si quelques conclusions qualitatives sont également tirées sur le texte. On peut par exemple montrer que, dans le drame de Büchner, le groupe des dantonistes ne participe pratiquement pas au discours juridique institutionnalisé qui finalement conduit à leur condamnation et à leur exécution. Dans l’ensemble, on constate une structuration de l’espace dramatique qui comprend une forte séparation de différents groupes sociaux et institutionnels. La représentation de la Révolution française par Büchner met donc en discussion ses fondements moraux et démocratiques, même si la pièce n’offre justement pas de solution aux problèmes mis en évidence.

Outline

Text

Einleitung

Georg Büchners Drama „Danton’s Tod“ wird zu den bedeutendsten Werken des Vormärz gezählt und genießt auch abseits seiner literaturhistorischen Bedeutung noch immer große Beachtung, es hat beispielsweise nach wie vor einen festen Platz im schulischen und universitären Kanon und erfreut sich zahlreicher Inszenierungen. Dessen ungeachtet handelt es sich sowohl formal als auch inhaltlich um ein äußerst komplexes Werk, dessen Deutung alles andere als einhellig ausfällt. So schreibt etwa Rüdiger Campe im Büchner-Handbuch: „Die Stationen der Danton-Lektüren kommen einer kleinen Geschichte des Politischen im Deutschland des 20. Jahrhunderts gleich“ (Campe 2009: 20). Grundsätzlich wird immer wieder davon ausgegangen, Büchner benutze den Stoff (einen Abschnitt der Französischen Revolution), um die politische Situation Deutschlands während des Vormärz zu beleuchten, wenngleich sich auch hierzu divergierende Einschätzungen finden lassen. Um nur um eines von vielen möglichen Beispielen zu nennen: Helbig hält „Danton’s Tod“ eher für ein „zur zeitlosen Wahrheitsaussage tendierendes Drama“ (Helbig 1973: 147). Im Bewusstsein dieser Deutungsvielfalt möchte der vorliegende Beitrag den Versuch unternehmen, mithilfe eines quantitativ ausgerichteten Ansatzes zu untersuchen, welche strukturellen Merkmale des Dramas sich fixieren lassen, die – idealiter – als vergleichsweise unstrittige Basis einer interpretativen (qualitativen) Verständigung genützt werden könnten. Dank der von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften besorgten und im Deutschen Textarchiv (https://www.deutschestextarchiv.de, im Folgenden DTA) verfügbaren Online-Ausgabe von Büchners Werken, die nach TEI P5 annotiert wurde, lassen sich mithilfe von computergestützter Auswertung Zusammenhänge verdeutlichen, die bei einer herkömmlichen Lektüre aufgrund des Textumfanges und der überaus komplexen Figurenkonstellationen nur schwerlich sichtbar werden.

Der Beitrag sucht sodann zu argumentieren, dass sich Büchners Stück durch ein manifestes Auseinanderklaffen zwischen dem dramatischen Leitmotiv, das den Rahmen des Stückes darstellt und die eigentliche Handlung vorantreibt, sc. die Radikalisierung gegen und Exekution von George Danton, und den zahlreichen Nebenfiguren, -orten und -motiven auszeichnet. Wenn, wie zu zeigen ist, sich diese Kluft nicht auf eine Gegenüberstellung von Haupthandlung und opulentem Dekor reduzieren lässt, so wird die Frage schlagend, was Büchner damit beabsichtigt. Mithilfe von numerischen Auswertungen und Übersichten dazu, wer in dem Stück wann, wo und worüber spricht, soll untersucht werden, ob und wie sich die unterschiedlichen Figurenreden sowie die in ihnen artikulierten Diskurse aufeinander beziehen. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Inszenierung der faktischen Verurteilung Dantons (bzw. der „Dantonisten“) und deren politische Legitimierung durch und für unterschiedliche Personengruppen gelegt. Es wird zu überlegen sein, welche heuristischen Kategorien angewandt werden können, um die unterschiedlichen performativen und diskursiven Akte erkenntnisbringend zu systematisieren, ohne der Analyse zu viele Prämissen zu imputieren, die sich ihrerseits in Zweifel ziehen ließen. Wie in „Danton’s Tod“ Politik betrieben wird, welche Informationen auf welchen Wegen zirkulieren, wird sich als umso aufschlussreicher erweisen, als sich die Adressaten_innen des Stückes (das Publikum) in der privilegierten Position befinden, all jene Informationsflüsse zu überblicken, die den dramatischen Figuren nur partiell zugänglich sind.

Für die computergestützte Auswertung wird auf die Programmiersprache Python zurückgegriffen, wobei Erläuterungen der technischen Aspekte der Untersuchung aus Gründen des Umfanges nur exemplarisch und rudimentär erfolgen können. Desgleichen muss darauf verzichtet werden, den Programmiercode sowie große Teile der computergenerierten Auswertung in den Artikel zu integrieren; beides wurde jedoch als sogenanntes „Repository“ auf GitHub öffentlich verfügbar gemacht und ist unter dem folgenden Link abzurufen: https://github.com/hu3bris/danton Methodisch basiert die Untersuchung vornehmlich auf quantitativen Auswertungen der Figurendialoge, die herangezogen werden, um gewisse Merkmale des Stückes hervorzuheben. Da Dramentexte im Vergleich zu anderen literarischen Texten durch paratextuelle Elemente wie beispielsweise Szenenüberschriften, Sprechernamen und andere Regieanweisungen relativ stark strukturiert sind, können einige der in den Digital Humanities übliche Methoden hier besonders gut zur Anwendung gebracht werden. Andererseits zeichnet sich „Danton’s Tod“ in mehr als einer Hinsicht durch schwindelerregende Komplexität aus, weshalb bisweilen andernorts durchaus fruchtbare Ansätze wie Netzwerkvisualisierungen nur wenig Erkenntnisgewinn ermöglichen1. Der erste Abschnitt des Artikels bringt einige dieser Schwierigkeiten zur Sprache.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass Einsichten und Ergebnisse der sehr reichen Forschungsliteratur zu „Danton’s Tod“ selbstredend Berücksichtigung finden, dass aber weder eine fundierte Auseinandersetzung mit derselben angestrebt wird noch der Anspruch erhoben, die Diskussion durch inhaltlich grundlegend neue Einsichten zu bereichern. Die Absicht des Beitrages liegt im methodischen Rahmen und beschränkt sich auf den Versuch, Impulse des noch jungen Paradigmas der Digital Humanities aufzugreifen und ihre Nützlichkeit im literaturwissenschaftlichen Bereich beispielshaft darzustellen.

1. Figurenliste und -statistik

Büchner weist in den Regieanweisungen denselben Figuren bisweilen unterschiedliche Bezeichnungen zu. So wird beispielsweise die Figurenrede eines der Präsidenten des Revolutionstribunals, der im Figurenverzeichnis als „Hermann“ aufgeführt wird, im späteren Verlauf als „Präsident“, „Der Präsident“ oder „Hermann“ angekündigt. Aus diesem Grunde kann sich die Auswertung nicht unmittelbar auf die Figurenbezeichnungen der Regieanweisung verlassen. Die DTA-Ausgabe weist den unterschiedlichen Figuren TEI-Tags zu, mithilfe derer sich dieses Problem umschiffen lässt. Sämtliche Figurenreden Hermanns beispielsweise sind durch die Tags <sp who=“#PRAES“> und </sp> eingefasst, womit eine automatisierte Auswertung hiernach erfolgen kann. Am Rande sei darauf hingewiesen, dass in einzelnen Fällen auch die TEI-Tags des DTA problematisch sind. „Danton‘s Tod“ weist zahlreiche Figuren auf, die nicht durch ihren Namen, sondern durch ihre soziale Stellung, Funktion o.ä. charakterisiert werden. Was in der DTA-Ausgabe mithilfe des Tags “#WEIB“ zusammengefasst und von Büchner als „Weib“, „Ein Weib“ oder „Einige Weiber“ ausgewiesen wird, entspricht eindeutig nicht einer einzigen Person, sondern mehreren. Obwohl sich diesem Beispiel weitere zur Seite stellen ließen, orientiert sich die Auswertung mangels besserer Alternativen an diesen TEI-Tags. Wollte man eine Figurenliste ohne derartige Ambiguitäten, müsste für diese Figuren(klasse) fallweise untersucht werden, ob es sich um unterschiedliche Personen handelt oder nicht. Hierfür wäre jedenfalls eine inhaltliche Lektüre der Passagen erforderlich, die eine automatische Auswertung überstiege.

Um den Aussagegehalt einer solchen Figurenliste zu erhöhen, wurde zudem für jede Figur gezählt, wie häufig sie eine Figurenrede macht und wie lang ihre Reden insgesamt sind. Dies lässt sich wie folgt erreichen: In einem ersten Schritt durchsucht das Python-Skript den gesamten XML-Text (i.e. den vollständigen Text inklusive Regieanweisungen und TEI-Tags) nach allen Figurenreden2 und sammelt diese in einer Liste. In einem zweiten etwas aufwändigeren Schritt untersucht das Skript schrittweise jeden Eintrag (i.e. jede der gesammelten Figurenreden) in dieser Liste nach folgendem Kriterium und erstellt dabei eine neue Liste: Ist der der Figur zugordnete TEI-Tag (e.g. <sp who=“#PRAES“>) schon in der neuen Liste enthalten? Wenn dies nicht der Fall ist, erstellt das Skript in der neuen Liste einen Eintrag, der die folgenden Informationen enthält: den TEI-Tag; den in der Regieanweisung angegebenen Figurennamen; einen Zählwert von eins, der die Gesamtzahl der Auftritte repräsentiert; die Figurenrede an sich. Wenn der TEI-Tag hingegen schon in dieser Liste enthalten ist, erstellt das Skript keinen neuen Eintrag, sondern sucht den Eintrag mit diesem TEI-Tag und modifiziert diesen nach folgendem Muster: Wenn der in der Regieanweisung angegebene Name sich nicht mit dem (bzw. denen) des Eintrages deckt, wird dieser Name ergänzt; der die Gesamtzahl der Auftritte repräsentierende Zählwert wird um eins erhöht; die Figurenrede an sich wird angehängt. Die sohin erstellte Liste kann nun nach der Gesamtzahl der Auftritte absteigend sortiert werden und gegebenenfalls weitere Formatierungen durchlaufen. Um ausgeben zu können, wie lang die Reden einer bestimmten Figur insgesamt sind, werden die Wörter sämtlicher der Figur zugeordneten Figurenreden gezählt. Der Einfachheit halber wird der gängigen Praxis entsprechend angenommen, dass Wortgrenzen mit Leerzeichen zusammenfallen, was im Deutschen in den allermeisten Fällen zutrifft.

Auf diese Weise lassen sich 65 unterscheidbare Sprecher bzw. Sprecherinnen ausmachen, wobei aufgrund eingangs umrissener Schwierigkeiten korrekter von mindestens 65 zu sprechen wäre. In jedem Falle eine erstaunlich hohe Zahl, wenn man mit dem Figurenverzeichnis vergleicht, das lediglich 33 Figuren nennt und ihnen ein „u.s.w.“ anfügt. Mehrere dieser Figuren nehmen, gemessen an der Länge ihrer Figurenrede, in dem Drama relativ viel Raum ein, obwohl nicht unmittelbar ersichtlich wird, welche dramaturgische Funktion ihnen zukommt. Die Figurenrede der jungen Prostituierten Marion zählt beispielsweise 575 Wörter (und damit halb so viele wie die St. Justs!), die des inkarzerierten Philosophen Payne sogar 708. Es handelt sich in beiden Fällen um komplexe Dialoge, die Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelt erlauben. Es fehlt auch unter Figuren, die unmittelbar das Volk zu repräsentieren scheinen, nicht an Beispielen hierfür, wenngleich sich die Äußerungen tendenziell auf mehrere Dialoge und auf mehrere Figuren verteilen (so etwa das Gespräch zwischen Simon und seiner Frau in I.23, das insgesamt 412 Wörter umfasst). Zum Vergleich: Die Figurenrede von Hérault-Séchelles, der einerseits ein historisch bedeutsamer Politiker während der Französischen Revolution war (u.a. aufgrund seiner Mitgliedschaft im Wohlfahrtsausschuss) und andererseits mitangeklagt in dem Prozess rund um Danton – grundsätzlich also sowohl ideengeschichtlich als auch dramaturgisch äußerst relevant – macht gerade einmal 615 Wörter aus.

 

Figurenname(n) TEI-Tag Figurenreden Wörter Durchschnitt
Danton #DAN 117 4439 37.9
Camille #CAM 46 1272 27.7
Lacroix #LAC 43 1059 24.6
Robespierre #ROB 29 2289 78.9
Hérault #HERA 23 615 26.7
Simon #SIM 23 309 13,4
St. Just #STJU 23 1006 43.7
Julie #JUL 20 299 14.9
Barrère #BAR 17 466 27.4
Weib, Ein Weib, Einige Weiber #WEIB 16 257 16.1
Erster Bürger #ERBUER 16 244 15.2
Präsident, Der Präsident, Hermann #PRAES 16 243 15.2
Ein Bürger, Bürger #ZWEBUER 13 211 16.2
Lucile #LUC 13 315 24.2
Philippeau #PHI 12 264 22.0
Legendre #LEG 11 276 25.1
Fouquier #FOU 11 188 17.1
Ein Anderer, Eine Andere #AND 10 132 13.2
Dillon #DIL 10 234 23.4
Laflotte #LAF 10 310 31.0
Mercier #MER 9 186 20.7
Einige Stimmen #STIM 8 55 6.9
Payne #PAY 8 708 88.5
Rosalie #ROS 7 52 7.4
Zweiter Herr #ZWEHER 7 131 18.7
Marion #MAR 6 575 95.8
Ein Bettler, Bettler #BET 6 88 14.7
Callot #CAL 6 131 21.8
Schließer #SCH 6 50 8.3
Zweiter Fuhrmann #ZWEFUHR 6 98 16.3
Junger Herr #JUNK 5 71 14.2
Chaumette #CHA 5 55 11.0
Billaud #BIL 5 79 15.8
Dumas #DUM 5 93 18.6
Erster Fuhrmann #ERFUHR 5 46 9.2
Eine Dame, Dame #DAM 4 33 8.2
Erster Herr #ERHERR 4 38 9.5
Eugenie #EUG 4 19 4.8
Dritter Bürger #DRIBUER 3 179 59.7
Junger Mensch #JUNM 3 11 3.7
Viele der Stimmen, Viele Stimmen #VIE 3 15 5.0
Paris #PAR 3 53 17.7
Soldat #SOL 3 22 7.3
Wärter #WAER 3 50 16.7
Eine Stimme, Stimme, Fabre #FAB 3 9 3.0
Alle #ALL 2 12 6.0
Ein Jacobiner, Die Jacobiner #JACO 2 13 6.5
Adelaide #ADE 2 13 6.5
Bänkelsänger #BAEN 2 25 12.5
Madame #MAD 2 26 13.0
Ein Deputirter #DEP 2 22 11.0
Ein Gefangener, Der Gefangene #GEFA 2 22 11.0
Amar #AMA 2 21 10.5
Erster Henker #ERHENK 2 12 6.0
Die Umstehenden #UMST 1 2 2.0
Ein Lyoner #LYO 1 173 173.0
Collot dHerbois #COL 1 63 63.0
Die Andern #ANDE 1 3 3.0
Voulaud #VOU 1 5 5.0
Ein Weib mit Kindern #WEIBKI 1 18 18.0
Erstes Weib #ERWEIB 1 5 5.0
Zweites Weib #ZWEWEIB 1 27 27.0
Drittes Weib #DRIWEIB 1 19 19.0
Zweiter Henker #ZWEHEN 1 5 5.0

2. Prozess und Verurteilung der Dantonisten

Zum besseren Verständnis der Dramenstruktur scheint es wünschenswert, die Verteilung der Sprechakte auf Akte und Szenen sichtbar zu machen. Hierfür kann ähnlich vorgegangen werden wie bei der Erstellung der Figurenliste, nur muss die Auswertung und Ausgabe durch das Skript nach jeder Szene unterbrochen und neu aufgenommen werden. Zahlreiche Details beiseite lassend, lässt dich das Vorgehen so erklären, dass das Skript also zunächst nach Akten und Szenen4 sucht, deren Titel sowie die erste Regieanweisung (welche die Namen der Figuren angibt, die sich in dieser Szene auf der Bühne befinden) festhält und dann eine Auswertung nach dem bereits beschriebenen Schema durchführt, die diesmal allerdings für jede Szene neu gestartet wird. Um den Aussagegehalt der Analyse weiter zu erhöhen, kann bei der Ausgabe eine Gegenüberstellung der Anzahl der Dialoge (sowie der Länge der Figurenreden in Wörtern) für die jeweilige Szene und die Gesamtheit des Stückes erfolgen. Aufgrund ihres beträchtlichen Umfangs kann die resultierende Übersicht an dieser Stelle nicht vollständig wiedergegeben werden (sie ist aber auf GitHub einsehbar); beispielhaft und zu Zwecken der Illustration wird lediglich die zweite Szene des ersten Aktes dargestellt:

 

Akt 1, Szene 2, Eine Gasse
Simon. Sein Weib.
Simon Dialoge: 12 / 23 Wörter in Szene: 194 / 309
Weib, Ein Weib, Einige Weiber Dialoge: 12 / 16 Wörter in Szene: 217 / 257
Erster Bürger Dialoge: 7 / 16 Wörter in Szene: 175 / 244
Zweiter Bürger Dialoge: 7 / 13 Wörter in Szene: 64 / 211
Dritter Bürger Dialoge: 3 / 3 Wörter in Szene: 179 / 179
Einige Stimmen Dialoge: 3 / 8 Wörter in Szene: 21 / 55
Junger Mensch Dialoge: 3 / 3 Wörter in Szene: 11 / 11
Die Umstehenden Dialoge: 1 / 1 Wörter in Szene: 2 / 2
Robespierre Dialoge: 4 / 29 Wörter in Szene: 99 / 2289
Alle Dialoge: 1 / 2 Wörter in Szene: 2 / 12
Viele der Stimmen, Viele Stimmen Dialoge: 1 / 3 Wörter in Szene: 6 / 15

Ein Umstand, der bei flüchtiger Lektüre leicht zu übersehen ist und auch in der Forschungsliteratur nicht oft in der Vordergrund gerückt wird, lässt sich durch diese Herangehensweise sehr gut sichtbar machen: die räumliche (und diskursive) Trennung des Figurenpersonals. Obwohl sich für Büchners Drama ein schwindelerregend breites Spektrum an Themen, Schauplätzen und Personen anführen lässt, ist sein Handlungsbogen deutlich um die Brandmarkung, Verurteilung und Exekution einer politischen Gruppe um Georges Danton organisiert. Gezeigt wird nicht die Französische Revolution als solche, sondern ein besonderer Abschnitt des Terreur. Es wäre fraglos verfehlt, in hiermit nicht unmittelbar in Verbindung stehenden Elementen bloße Digressionen zu sehen, gleichwohl ist eine Gegenüberstellung mehr oder weniger auf die Kernhandlung bezogener Szenen aufschlussreich. Wie also lässt sich der zur Exekution führende Niedergang Dantons nachzeichnen?

Der erste Streich erfolgt durch eine Rede im Jakobinerclub (I.3), die von einer Figur namens „Ein Lyoner“ gehalten wird, die lediglich diesen einen Auftritt hat und im restlichen Stück nicht mehr vorkommt. In dieser Brandrede gegen die inneren Feinde der Revolution wird Danton namentlich noch nicht erwähnt, doch vermag Robespierre diese Gelegenheit zu nutzen, um eine politische Säuberung anzubahnen: „Beruhige dich tugendhaftes Volk, beruhigt Euch Ihr Patrioten, sagt Euern Brüdern zu Lyon, das Schwert des Gesetzes roste nicht in den Händen, denen Ihr es anvertraut habt. – Wir werden der Republik ein großes Beispiel geben …“ (I.3) Sein Vorstoß wird mit allgemeinem Beifall gewürdigt. Danton ist in dieser Szene nicht anwesend, er sucht unterdessen „die mediceische Venus stückweise bei allen Grisetten des palais royal zusammen, er macht Mosaik, wie er sagt; der Himmel weiß bei welchem Glied er gerade ist.“ (I.4) Er wird etwas später (I.5) von Lacroix über die drohende Gefahr informiert.

Die erste Konfrontation zwischen Danton und Robespierre findet in der folgenden Szene (I.6) in einem „Zimmer“ statt, also in geschlossenem informellem Rahmen, wobei sich die Differenzen der beiden zuspitzen. Mehrere Szenen später (II.6) kommt es zur Verhaftung Dantons (und einiger Anhänger), wenngleich diese nicht direkt zu sehen ist, sondern erst etwas später (II.7) durch einen Botenbericht im Nationalkonvent geschildert wird. Es ist der Deputierte Legendre, der hierüber informiert und sich zugleich für eine Anhörung von Danton einsetzt. Allein, er kann sich nicht durchsetzen; nach einem kurzen Schlagabtausch einiger Deputierten und einer längeren Protestrede von Robespierre wird Dantons Anhörung abgelehnt. St. Just sekundiert ihm und fordert wortgewaltig, bloß keine Gnade an den Feinden der Revolution walten zu lassen. Seine Rede quittiert „(l)anger, anhaltender Beifall.“ (II.7)

Erst im Revolutionstribunal (III.4) kann Danton schließlich seine Stimme erheben, allerdings vor einer Schar voreingenommener Geschworenen und nicht lange: Sobald sich Anzeichen des Beistandes zeigen, wird die Sitzung aufgehoben und Dantons Verhör vertagt. Sein zweites Verhör wird auf der Bühne nicht gezeigt, sondern erneut im Rahmen eines Botenberichts diesmal im Wohlfahrtsausschuss (III.6) realisiert. Die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses scheinen darin einig, dass Danton ausgeschaltet werden müsse, fürchten allerdings die Reaktion des Volkes. Das Problem löst sich durch eine Denunziation, die St. Just zugestellt und von diesem unmittelbar vorgelesen wird. Obwohl die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses durchaus nicht in allem übereinstimmen, versichert man St. Just „wir werden dir helfen, den Donnerkeil auf die Häupter der Feiglinge zu schleudern.“ (III.6) Dieselbe Denunziation dient sodann in der letzten Sitzung des Wohlfahrtsausschusses (III. 9) dazu, Danton und die anderen Angeklagten von der Debatte auszuschließen. Obwohl viele Stimmen sich hinter Danton stellen, wird dieser gewaltsam abgeführt. Der weitere Verlauf des Prozesses sowie die Urteilsverkündung werden nicht inszeniert; es ist neuerlich ein Botenbericht, der über die Verurteilungen informiert (IV.2). Inszeniert werden schließlich die Vorführung Dantons und seines Gefolges auf dem Revolutionsplatz sowie ihr Besteigen des Schafotts (IV.7). Das Drama schließt kurz nach der Exekution, die nur indirekt gezeigt wird.5

Der öffentliche und formelle Teil der Verurteilung Dantons vollzieht sich mithin an zwei Orten, die insgesamt drei Mal gezeigt werden: Nationalkonvent (II.7) und Revolutionstribunal (III.4 & III.9). Danton, der als großer Redner stilisiert wird, und als Einziger aktiv an der Verteidigung seiner selbst und seiner Freunde arbeitet, ist in nur einer einzigen dieser Szenen (III.4) anwesend. Von den insgesamt 4439 Wörtern, die Danton im Verlauf des gesamten Dramas von sich gibt, spricht er lediglich 504 in einem rechtlich wirksamen Rahmen. Man möchte versucht sein, einzuwenden, Danton richte sich bei seiner Verteidigung eher ans Volk denn an andere Politiker – das ist im Drama aber gerade nicht der Fall. Obwohl Danton durchschnittlich in genau jeder zweiten bzw. in 16 der insgesamt 32 Szenen das Wort ergreift, handelt es sich dabei (neben erwähnter Rede im Revolutionstribunal) nur zwei Mal um einen öffentlichen Raum, in dem Vertreter des Volkes anwesend sind: II.2 „Eine Promenade“ (Danton spricht hier nur 2 Mal und jeweils zu seinem Freund Camille) und IV.7 „Der Revolutionsplatz“ (unmittelbar vor seiner Exekution). Auf diese beiden Szenen entfallen insgesamt nicht mehr als 104 der von Danton gesprochenen Wörter; in Büchners Stück ist Danton also alles andere als „volksnah“.

Wenngleich die genauen Hintergründe und Botschaften von Dantons Verurteilung überaus kontrovers diskutiert werden, so lässt sich doch recht klar angeben, wer diese Verurteilung (im Stück) maßgeblich instigiert. Der sichtbarste Gegenspieler des Stücks ist Robespierre (u.a. auch deswegen, weil Danton selbst ihn als solchen sieht und benennt), dessen Figurenreden mit insgesamt 2289 im Stück geäußerten Wörtern ungefähr halb so umfangreich wie diejenigen Dantons ausfallen. Noch bestimmter als Robespierre treibt St. Just die Verurteilung Dantons voran, wenngleich diesem mit insgesamt 1006 Wörtern nur halb so viel Figurenrede zukommt; wo Robespierre bisweilen von moralischen Zweifeln befallen wird, ist St. Just eine überaus statische Figur, die solche Zweifel nicht zu kennen scheint (dies wird nirgends so deutlich inszeniert wir in I.6). Robespierre tritt in nur 4 Szenen des Stückes auf: einmal in einer Gasse (I.2), wo er als geschickter Manipulator des Volkswillens gezeigt wird (wenngleich nur 99 seiner Wörter auf diese Szene entfallen), einmal im Klub der Jakobiner (I.3), einmal in einem Zimmer (I.6) und ein letztes Mal im Nationalkonvent (II.7). Insgesamt spricht er also vergleichsweise häufig im öffentlichen oder institutionellen Rahmen. St. Just kommt lediglich in drei Szenen vor: in einem Zimmer (I.6), im Nationalkonvent (II.7) und im Wohlfahrtsausschuss (III.6). Er tritt also nie im engeren Sinne öffentlichen Raum auf, sondern vor allem im institutionellen oder schlichtweg privaten. Übrigens begegnen sich Danton uns Robespierre in dem ganzen Stück nur einmal und dies im nicht öffentlichen Bereich eines Zimmers (I.6), Danton und St. Just begegnen sich überhaupt nicht (St. Just tritt in I.6 erst nach Dantons Abgang auf). Das Entstehen der Denunziation, die schließlich dazu benutzt wird, Danton das Rederecht im institutionellen Raum zu entziehen, in einem Kerker des Luxemburg (III.5) sowie die Absprache zu ihrer Instrumentalisierung unter den Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses (III.6) werden in Büchners Drama dargestellt, beides fällt in den Bereich der politischen Winkelzüge und bleibt der Öffentlichkeit (nicht jedoch den Zuseher_innen) verborgen. Die folgende Liste gibt die vollständige Redestatistik dieser drei Figuren wieder.

 

Danton Robespierre St. Just Akt Szene
355     I Erster Act
  99   Eine Gasse
  838   Der Jacobinerklubb
      Eine Gasse
306     Ein Zimmer
385 859 203 Ein Zimmer
616     II Ein Zimmer
67     Eine Promenade
110     Ein Zimmer
198     Freies Feld
491     Ein Zimmer
      Strasse vor Danton’s Hause
  493 527 Der National-Convent
91     III Das Luxemburg
      Ein Zimmer
90     Das Luxemburg
504     Das Revolutions-Tribunal
      Das Luxemburg
    276 Der Wohlfahrts-Ausschus
321     Die Conciergerie
      Ein Zimmer
199     Das Revolutions-Tribunal
      Platz vor dem Justiz-Palaste
      IV Eine Gasse
      Ein Zimmer
432     Die Conciergerie
      Platz vor der Conciergerie
237     Die Conciergerie
      Ein Zimmer
37     Der Revolutions-Platz
      Eine Gasse
      Der Revolutions-Platz
4439 2289 1006 gesamt

3. Gliederung des dramatischen Raums

Insofern ist auffällig, dass der Raum der politischen Entscheidungsfindung weder für Danton noch für seine Gegenspieler mit dem öffentlichen oder institutionellen Raum zusammenfällt. Danton: „Wär’ es ein Kampf, daß die Arme und Zähne einander packten! aber es ist mir, als wäre ich in ein Mühlwerk gefallen und die Glieder würden mir langsam systematisch von der kalten physischen Gewalt abgedreht.“ (III.7) Während Büchner große (und für den Handlungsbogen durchaus wichtige) Teile des institutionellen Prozesses mithilfe von Botenberichten ausspart, gibt er sich offensichtliche Mühe, die hinter verschlossenen Türen stattfindenden Winkelzüge und Absprachen sichtbar zu machen.6 Wie sehr sich Büchners Drama – trotz des für das Stück immens wichtigen politischen Diskurses – auf den nicht öffentlichen Raum konzentriert, lässt sich dank der quantitativen Auswertung gut zeigen.7 Dazu wird aus heuristischen Gründen eine Gliederung des dramatischen Raumes anhand dreier Kategorien durchgeführt: 1) ein im engeren Sinne öffentlicher Raum, der ein Raum der Begegnung ohne Zugangsbeschränkungen ist, in dem sich potentiell alle Figuren und Fraktionen treffen können; 2) ein institutioneller Raum, in dem Macht ausgeübt und legitimiert wird, der besonderen Diskursregeln unterliegt; 3) ein geschlossener Raum, der aus unterschiedlichen Gründen nicht allen Fraktionen oder Figuren zugänglich ist. In dem Stück handelt es sich dabei um einen bürgerlichen Rückzugsraum, einen Raum der philosophisch-politischen Diskussion und Nabelschau oder der Intrige.

Bei nur wenigen Szenen bedarf die Zuordnung einer Diskussion. Für die erste Szene fehlen Titelüberschrift und Regieanweisungen mit Ortsangabe. Aus dem Kontext wird jedoch klar, dass es sich um eine Spielhalle des Palais-Royal handelt. Grundsätzlich ließe sich dieser wohl als öffentlicher Raum (wenngleich auf die Pariser Bourgeoisie beschränkt) ansehen, doch wird dies dem Charakter der Szene nicht gerecht. Nur vier männliche Figuren treten in ihr auf: George Danton, Marie-Jean Hérault de Séchelles, Camille Desmoulins, Pierre Philippeaux – sie alle sind politisch aktiv und gehören zum Kreis um Danton, sie alle werden am Ende des Stückes hingerichtet. Ferner ist Dantons Gattin Julie anwesend sowie „einige Damen“, von denen nur eine einige wenige Worte spricht, sie werden im Drama als „Grisetten“ bezeichnet und sind der Sphäre der Prostitution zuzuordnen. Es handelt sich um einen Teil der Exposition, nämlich der Fraktion der Dantonisten, die von Anfang an im Zwielicht von hehren politischen Parolen und privatem moralischen Verfall gezeigt werden. In der Szene gibt es keinerlei Konfrontation mit anderen Gruppierungen welcher Art auch immer, in der dramatischen Realisierung befinden sich die Dantonisten in einem bürgerlichen Rückzugsort und geben sich der Sinnenfreude hin.

Die sehr kurze Szene II.4 ist mit „Freies Feld“ überschrieben, dient aber lediglich als Schauplatz für einen Monolog Dantons. Der Kontext lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass Danton alleine ist; tatsächlich scheint er die Einsamkeit zu suchen, um mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen. Sie wird daher dem nicht-öffentlichen Raum zugeordnet.

Schließlich bedarf die Szene im Wohlfahrtsausschuss (III.6) gesonderter Aufmerksamkeit. Zusammengesetzt aus Mitgliedern des Nationalkonvents und mit vorrübergehend beträchtlichen Befugnissen ausgestattet, handelt es sich bei dem Wohlfahrtsausschuss fraglos um einen politisch-institutionellen Raum der Ausübung von Macht. Allerdings fanden die Diskussionen desselben historisch wie auch bei Büchner unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei Büchner sind in dieser Szene nur vier Mitglieder anwesend, die allesamt in einem schlechten Licht gezeigt werden und St. Just ihre Unterstützung nicht aus rechtlichen oder moralischen Gründen zusichern; obwohl Barrère (gemeint dürfte Bertrand Barère sein) auf die Unhaltbarkeit der Anschuldigungen gegen Danton hinweist (die für uns Zuseher_innen, die wir ihr Entstehen mitverfolgen, augenfällig ist), erhält St. Just ohne weitere Diskussion die nötige Zustimmung. Barrère spricht etwas später fatalistisch: „Die Welt müßte auf dem Kopf stehen, wenn die sogenannten Spitzbuben von den sogenannten rechtlichen Leuten gehängt werden sollten.“ (III.6) Insofern ist die Szene nicht eindeutig einer bestimmten Kategorie zuzuordnen – es handelt sich um einen institutionellen Raum der Ausübung von Macht, der jedoch strikt nicht-öffentlichen ist und weder Legitimation anstrebt noch eine Vermittlung unterschiedlicher Fraktionen.8 Wenn die Szene in der folgenden Übersicht dennoch dem „institutionellen Raum“ zugeordnet wird, so geschieht dies in Ermangelung einer besseren Alternative.

 

öffentlicher Raum institutioneller Raum geschlossener Raum
Eine Gasse I.2/4, IV.1/8 (= 4x) Nationalkonvent II.7 (= 1x) Palais-Royal I.1 (= 1x)
Eine Promenade II.2 (= 1x) Revolutionstribunal III.4/9 (= 2x) Jakobinerklub I.3 (= 1x)
Straße vor Dantons Haus II.6 (= 1x) Wohlfahrtsausschuss III.6 (= 1x) Ein Zimmer I.5/6, II.1/3/5, III.2/8, IV.2/6 (= 9x)
Platz vor dem Justizpalast III.10 (= 1x) Freies Feld II.4 (= 1x)
Platz vor der Conciergerie IV.4 (= 1x) Luxemburg III.1/3/5 (= 3x)
Der Revolutionsplatz IV7/9 (= 2x) Conciergerie III.7, IV.3/5 (= 3x)
Szenen gesamt: 10 Szenen gesamt: 4 Szenen gesamt: 18

Die Gegenüberstellung verdeutlicht die quantitative Prävalenz von Szenen, die in einem nicht-öffentlichen Raum stattfinden. Der mit Abstand häufigste Schauplatz ist „Ein Zimmer“, der von Büchner insgesamt neun Mal gewählt wurde (es handelt sich dabei übrigens nicht immer um dasselbe Zimmer) und damit fast so oft wie alle Szenen im öffentlichen Raum zusammen. Szenen nicht-öffentlichen Charakters machen mit 18 von 32 Okkurrenzen mehr als die Hälfte aller Szenen aus.

Durch eine geringfügige Modifikation des ursprünglichen Python-Skriptes, deren Darlegung an dieser Stelle unterbleiben soll, lässt sich auswerten, wie sich die Figurenreden auf diese drei Räume verteilen. Das Überwiegen des geschlossenen Raumes zeigt sich hier noch frappierender:

 

öffentlicher Raum institutioneller Raum geschlossener Raum
Wörter gesamt: 3024 Wörter gesamt: 3174 Wörter gesamt: 11700

Rund zwei Drittel der gesamten Figurenrede werden mithin im nicht-öffentlichen nicht-institutionellen Raum gesprochen. Der größte Teil der großspurigen Reden von Danton und seinem Gefolge (oder seiner Gegner) über individuelle Beweggründe, allgemeine Weltanschauungen oder politische Visionen werden vor Gleichgesinnten gesprochen. Es gibt so gut wie keine Diskussion zwischen den Lagern und auch der Anteil der juristischen Legitimation ist vergleichsweise dünn. Dafür dass Büchner so viele Menschen aus dem Volk auf die Bühne holt, kommt es zu bemerkenswert wenigen Begegnungen zwischen diesem und den politischen Entscheidungsträgern (obgleich die Furcht vor Willen und Reaktion des Volkes ein wiederkehrendes Thema des Stückes ist). Mithin lässt sich auch quantitativ gut das Auseinanderklaffen von politischer Praxis und sozialen Realitäten und Bedürfnissen erfassen, das für Büchners Werk oftmals reklamiert wird: „Das Geschäft, die bestehenden Herrschaftsstrukturen als Schauspiel zu denunzieren, und zwar als bei näherem Hinsehen wenig überzeugendes Schauspiel, betreiben alle Stücke Büchners.“ (Franz 2017: 152)

Vielleicht noch deutlicher lässt sich dieser Zusammenhang zeigen, wenn das Skript so verändert wird, dass es Figuren sucht, die ausschließlich im öffentlichen oder ausschließlich im geschlossenen Raum vorkommen.

 

nur geschlossen nur öffentlich
St. Just Simon
Julie Weib, Ein Weib, Einige Weiber
Präsident, Der Präsident, Hermann Erster Bürger
Fouquier Ein Bürger, Bürger
Dillon Zweiter Bürger
Laflotte Zweiter Herr
Mercier Ein Bettler, Bettler
Payne Zweiter Fuhrmann
Marion Junger Herr
Chaumette Dumas
Eine Dame, Dame Erster Fuhrmann
Paris Erster Herr
Wärter Eugenie
Ein Jacobiner, Die Jacobiner Dritter Bürger
Adelaide Junger Mensch
Ein Gefangener, Der Gefangene Soldat
Amar Alle
Ein Lyoner Bänkelsänger
Collot d’Herbois Madame
Voulaud Erster Henker
Die Umstehenden
Die Andern
Ein Weib mit Kindern
Erstes Weib
Zweites Weib
Drittes Weib
Zweiter Henker
ges. 20 ges. 27

Von den insgesamt 65 mit dem Skript erfassten Figuren kommen also 47 ausschließlich im öffentlichen oder ausschließlich im geschlossenen Bereich vor; lediglich 18 äußern sich in beiden. Die Tatsache, dass in dem Stück auch ein Teil des öffentlichen Lebens dargestellt wird, sollte nicht zur Annahme verleiten, Büchner schreibe dem Volke die Rolle einer aktiv in den politischen Diskurs eingreifenden Macht zu. Die Bedürfnisse und Ansprüche des Volkes werden zwar von diesem selbst ausgesprochen und als politische Forderungen artikuliert, doch bleibt die Diskurshoheit in den Händen von Menschen, mit denen sie (so gut wie) nicht in Dialog treten. Husser geht daher so weit zu schreiben, „die Gewaltbereitschaft der Bevölkerung ist eine Ersatzhandlung für unerhört gebliebene soziale Forderungen“ (Husser 2020: 81).

Es wurde einleitend darauf hingewiesen, dass gewisse Nebenfiguren erstaunlich viel sprechen, obwohl sie keinerlei unmittelbare Bedeutung für den skizzierten Handlungsbogen haben. Die Darstellung der geistigen, moralischen und materiellen Verfasstheit unterschiedlicher Personen und Personengruppen ist dem Umfang nach insgesamt nicht weniger wichtig als der Handlungsbogen an sich. Es dürfte also nicht dem Zufall geschuldet sein, dass Büchner alles in allem ein Aneinander-Vorbeireden der Figuren inszeniert und über die Figurenrede auch anspricht: „Über all den Löchern, die wir in anderer Leute Körper machen, ist noch kein einziges in unsern Hosen zugegangen.“ (II.6)

Bedauerlicherweise lässt sich mit der für diesen Beitrag gewählten Methode nicht ohne weiteres erfassen, wie sich die Figurenrede auf unterschiedliche Personengruppen verteilt. Dies liegt vornehmlich daran, dass die Figuren in vielen Fällen mitnichten eindeutig einer bestimmten Interessensgruppe oder sozialen Klasse zuordenbar sind. In I.2 etwa wird ein „Junger Mensch“ (so die Bezeichnung der Regieanweisungen) von einigen „Bürgern“ beinahe gelyncht, weil diese aufgrund eines „Schnupftuchs“ glauben, in ihm einen „Aristokraten“ erkennen zu dürfen. Der Kontext gibt jedoch guten Grund zur Annahme, dass diese Zuschreibung übereilt und falsch ist. Nun, selbst wenn man die Figur entgegen der Meinung der Bürger nicht für einen Aristokraten hält, ist nicht klar, welcher Klasse man sie stattdessen zuteilen sollte. Eine Behelfslösung, die diese Schwierigkeiten vermeidet, besteht darin, nur drei Gruppen zu bilden: 1) eine Gruppe für Personen, die von Büchner selbst im Personenverzeichnis als Mitglieder einer politischen Institution identifiziert werden, 2) eine eher kleine Gruppe von Personen, die nicht zur ersten Gruppe zählen, aus unterschiedlichen Gründen aber auch nicht (unmittelbar) als Vertreter der Volksmasse anzusehen sind (etwa Dantons Gattin oder „Ein Jakobiner“), 3) eine Gruppe mit allen restlichen Personen. Offensichtlich kommen auf diese Weise drei in sich noch immer recht heterogene Gruppen zustande; insbesondere die dritte Gruppe vereint so unterschiedliche Figuren wie Henker, Prostituierte und „Die Umstehenden“.

 

Gruppe 1) Gruppe 2) Gruppe 3)
13371 1342 3185

Die Gegenüberstellung verdeutlich, dass der mit großem Abstand überwiegende Teil der Dialoge auf die erste Gruppe fällt und damit auf politisch agierende Personen: Diese 20 Figuren sprechen weit mehr als doppelt so viel wie die insgesamt 45 Figuren der beiden anderen Gruppen. Auch wenn man geneigt ist, dem Volk in dem Stück eine wichtige Rolle zu attestieren, so ist zu konzedieren, dass die Form des „Konflikt[es] zwischen Bourgeoisie und plebejischen Schichten“ (Hauschild 2013, 121) nicht die des Dialoges ist. Selbst unter der anfechtbaren Voraussetzung, auch Henker, Fuhrmänner, Gefängnispersonal etc. seien (wenigstens unter anderem) als Repräsentanten des Volkes angelegt, umfassen die Figurenreden nicht mehr als 3185 Wörter. Ihre Teilnahme am politischen Diskurs beschränkt sich in vielen Fällen auf kurze Zurufe oder Bekundungen von Zustimmung bzw. Ablehnung, die über Regieanweisungen mitgeteilt werden.

Fazit

Summa summarum bringt die computergestützte Analyse im gegebenen Fall kaum etwas ans Licht, das nicht bereits über „Danton’s Tod“ geschrieben wurde, doch erlaubt sie ein Erhellen von Aspekten, die ohne ihre Hilfe schwerer zu greifen und zu belegen sind. Abseits der konkreten Resultate bietet sie den weiteren Vorteil der Wiederholbarkeit an anderen Dramen. Aufgrund der normierten XML-Auszeichnung, die dem Standard TEI P5 zugrunde liegt, kann das erstellte Python-Skript mit geringfügigen Modifikationen für vergleichbare Analysen anderer Dramen herangezogen werden, sofern diese nach demselben Standard codiert wurden. Fraglos bietet jeder Text seine eigenen Schwierigkeiten, die mitunter auch von Fehlern beim Transkribieren oder der Textgrundlage selbst herrühren und eine fallweise Korrektur erforderlich machen, doch das grundlegende Paradigma lässt sich mit geringem Aufwand adaptieren. Auch „Danton’s Tod“ weist spezifische Merkmale auf, die gewisse in den Digital Humanities übliche Herangehensweisen nicht gangbar machten. So ist beispielsweise aufgrund der hohen Gesamtzahl der Figuren eine Netzwerkvisualisierung kaum mehr geeignet, die Verhältnisse bzw. Interaktionen derselben zur Darstellung zu bringen. Hier musste ein anderer Zugang gefunden werden. Zugleich erwiesen sich auch Wortfrequenzanalysen einzelner Sprecher oder Sprechergruppen als fruchtlos, weil sämtliche Dialoge selbst weniger eloquenter Figuren überreich an Metaphern und stilistischem Zierrat sind. Wenn Lacroix in I.3 von „Halsweh“ spricht, meint er damit (wahrscheinlich) seine Furcht vor einer Hinrichtung (also geköpft zu werden); spricht der „Zweite Bürger“ in II.6 von „Löchern“, meint er damit einmal physische Verletzungen, ein andermal Verschleiß von Kleidern. Eine auf die bloße Häufung von Lexemen basierende Übersicht ist völlig blind für diese Dimension von Sprache.

Mithilfe des gewählten Ansatzes konnte verdeutlicht werden, dass die Verurteilung Dantons nicht im Zuge des öffentlichen Prozesses erfolgte, sondern hinter verschlossenen Türen beschlossen wurde. Der institutionelle Rahmen, in dem ein solcher Vorgang prinzipiell zu geschehen hätte, dient in Büchners Drama lediglich der Legitimation des Urteils vor der Öffentlichkeit. Dem Umfang und der Sache nach sind vorhergehende Absprachen wichtiger als die eigentlichen Sitzungen des Tribunals, in denen Danton seinen wahren Gegenspielern gar nicht begegnet. Durch den gehäuften Einsatz von Botenberichten gelingt Büchner die Inszenierung dieser Kluft zwischen dem Justizapparat, der zugleich die öffentliche Meinung informiert, und den im Verborgenen wirkenden Kräften, die für die öffentliche Meinung unsichtbar sind. Dies hat eine grundlegende Umkehrung zur Folge: Während die Meinungsbildung der im Stück dargestellten Öffentlichkeit auf dem institutionellen Prozess beruht (denn für sie ist nichts anderes sichtbar), wird die Aufmerksamkeit der Leser_innen des Stücks auf seine sinisteren Hintergründe gelenkt, womit die Beurteilung von Dantons Vergehen in einem gänzlich anderen Licht erfolgt.

Weiters konnte in der Trennung des dramatischen Raumes ein Indiz für den auch andernorts reklamierten „Realitätsverlust der politischen Entscheidungsträger“ (Neuhuber 2009: 71) ausgemacht werden. Der mit Abstand größte Teil der mit Politik assoziierten Figuren tritt ausschließlich in nicht-öffentlichen Bereichen auf, wohingegen alle anderen sich in der Öffentlichkeit begegnen. Für ein Stück, das mit so zahlreichen Diskussionen und politischen Kontemplationen gespickt ist, ist der Mangel an tatsächlicher Begegnung zwischen den Interessensgruppen frappierend und wohl auch als ein Grund für die Verurteilung der Gruppe um Danton anzusehen. Die meisten von ihnen treffen in dem Stück nur ein einziges Mal mit dem Volk zusammen, nämlich in IV.7, als sie das Schafott besteigen und ihrer Enthauptung harren. Selbstredend ist es für seine Feinde einfacher, Danton als eigennützig agierenden Profiteur und Feind der Revolution hinzustellen („und […] es ist, unter uns gesagt, so halbwegs was Wahres dran“ (I.5)), wenn dieser die Konfrontation mit jenen, deren Interessen und Nöte er Gehör verschaffen sollte, scheut und sich stattdessen in Spielhallen und anderen bürgerlichen Rückzugsräumen verbirgt, um dort der Nabelschau zu frönen. Büchners Darstellung der Französischen Revolution lehnt die Idealisierung des historischen Ereignisses ab: Wo in Delacroix‘ bekanntem Gemälde die Freiheit das Volk durch die Straßen Paris führt, dort zeigen Büchners „Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“ (so der von seinem Verleger Sauerländer gewählte Untertitel für „Danton’s Tod“) das in Hinterzimmern verborgene Agieren von Seilschaften.

Bibliography

Büchner, Georg. 1835. Danton’s Tod. Frankfurt am Main: J. D. Sauerländer. Zitiert nach Deutsches Textarchiv. https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835 (1. Juni, 2022).

Campe, Rüdiger. 2009. Danton’s Tod. In Roland Borgards & Harald Neumeyer (eds.), Büchner-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung, 18-38. Stuttgart/Weimar: Metzler.

Dubbels, Elke. 2017. Gerüchte: Politik und kollektiv-anonyme Kommunikation in Büchners Danton’s Tod. In Robert Gilette, Ernest Schonfield & Daniel Steuer (eds.), Georg Büchner: Contemporary perspectives, 192-207. Leiden: Brill Rodopi.

Franz, Joachim. 2017. ‘Vielleicht wäre er heute bei attac oder occupy?’: Theatrale strategien gegen die inszenierungen der macht bei Georg Büchner und ihre aktualität in gegenwärtigen Formen von Gesellschaftskritik und politischem protest. In Robert Gilette, Ernest Schonfield & Daniel Steuer (eds.), Georg Büchner: Contemporary perspectives, 148-172. Leiden: Brill Rodopi.

Hauschild, Jan-Christoph. 2013. Georg Büchner: Verschwörung für die Gleichheit. Hamburg: Hoffmann und Campe.

Helbig, Louis Ferdinand. 1973. Das Geschichtsdrama Georg Büchners: Zitatprobleme und historische Wahrheit in „Dantons Tod“. Bern/Frankfurt: Herbert/Peter Lang.

Husser, Irene. 2020. Machteffekte: Räumliche und körperliche Darstellungs- und Funktionsweisen des Politischen in Georg Büchners Leonce und Lena und Danton’s Tod. In Burghard Dedner, Matthias Gröbel, Eva-Maria Vering, Georg Büchner Jahrbuch 14, 61-88. Berlin/Boston: De Gruyter.

Neuhuber, Christian. 2009. Georg Büchner: Das literarische Werk. Berlin: E. Schmidt.

Wagner, Martin. 2017. Why Danton doesn’t die. In Robert Gilette, Ernest Schonfield & Daniel Steuer (eds.), Georg Büchner: Contemporary perspectives, 173-191. Leiden: Brill Rodopi.

Notes

1 Am Rande sei darauf hingewiesen, dass daher auch die von der DTA verlinkten Voyant Tools, ein einfach zu bedienendes Analyseinstrument der Digital Humanities, bei „Danton’s Tod“ rasch an ihre Grenzen stoßen, wenn sie nicht sehr umfangreich konfiguriert werden.

2 Hierfür wird auf das Modul „Beautiful Soup“ zurückgegriffen (soup.find_all('sp')).

3 Die der DTA-Ausgabe zugrundeliegende Textvorlage weist eine Akt- und Szenenaufteilung auf, die in späteren Ausgaben modifiziert wurde. In diesem Beitrag werden Akt- bzw. Szenenangaben nach der jüngeren Einteilung in vier Akte (also von der DTA-Ausgabe abweichend) vorgenommen, um den Gepflogenheiten der Sekundärliteratur zu „Danton’s Tod“ zu entsprechen.

4 Rein technisch lässt sich dies mit einer Suche nach „<div>“-Elementen realisieren, da sämtliche Akte durch den Tag <div n=„1“> ausgezeichnet sind, während Szenen die Auszeichnung <div n=„2“> aufweisen. Tatsächlich wird die Auswertung dadurch erschwert, dass in der DTA-Ausgabe die erste Szene des ersten Aktes nicht als solche ausgewiesen wird (die Szene hat keine eigene Überschrift, sondern wird nur durch den Titel „Akt“ sowie dessen Nummer eingeleitet). Die einfachste Lösung dieses Problems besteht in einer manuellen Auszeichnung dieser Szene.

5 Dass Büchner damit eine Art dramatischen Höhepunktes (vermutlich bewusst) vermied, findet sich insbesondere bei Wagner 2017 reflektiert. Wagner interpretiert dies sowie die Abwesenheit jeglicher direkt gezeigter Gewalt „as an implicit commentary on the question of historical progress and revolutionary violence that are raised in the play.“ (Wagner 2017: 175) Auf einer unmittelbaren Ebene hat Büchners Dramaturgie jedenfalls die Konsequenz, dass die Aufmerksamkeit der Zuseher_innen verstärkt auf das Zustandekommen des Urteils gelenkt wird und weniger auf dessen Vollzug.

6 Wie sehr sich Dantons Gegenspieler im Hintergrund zu halten verstehen und sich dieser daher vor „abwesenden, anonym bleibenden Klägern“ wiederfindet, wird beispielsweise von Elke Dubbels herausgearbeitet (cf. Dubbels 2017: 203sqq).

7 Es sei darauf hingewiesen, dass Irene Husser in einer jüngeren Studie eine sehr ähnliche auf den dramatischen Raum konzentrierte Fragestellung zum Ausgang einer Untersuchung über Büchners Stücke „Danton’s Tod“ und „Leonce und Lena“ macht und dabei zu vergleichbaren Ergebnissen kommt (cf. Husser 2020).

8 Auch Husser urteilt in diesem Sinne: „der Wohlfahrtsausschuss (III,6) wird von Büchner als ein Raum der privaten Unterredung gezeigt, in dem Strategien zur Beseitigung der Dantonisten abgesprochen werden“ (Husser 2020: 83).

References

Electronic reference

Patrick Huemer, « Politische Instrumentalisierung und Radikalisierung in Büchners „Danton’s Tod“ (1835): Ein Versuch, politische Agitation mit Methoden der Digital Humanities zu verdeutlichen », ELAD-SILDA [Online], 9 | 2024, Online since 22 mai 2024, connection on 22 juillet 2025. URL : https://publications-prairial.fr/elad-silda/index.php?id=1453

Author

Patrick Huemer

Université Bordeaux Montaigne, Département Études germaniques

patrick.huemer@u-bordeaux-montaigne.fr

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