Outline

Text

Innovationsbereit

Was zeichnet eine wissenschaftliche Bibliothek im Jahr 2019 aus? Sie bietet einen Ort für Studium und Forschung, und dient zugleich der "dritten Mission" einer Universität: Verkoppelung mit der Öffentlichkeit. Eine wissenschaftliche Bibliothek stützt nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die wissenschaftliche Kultur und damit die Demokratie. Sie ist ein zensurfreier Raum der Information und der kritischen Meinungsbildung, auch und gerade im digitalen Zeitalter.

Die Universitätsbibliothek (UB) Leipzig setzt bei ihren digitalen Innovationen auf Autonomie und Integration. Sie hat sich unabhängig gemacht von Monopolprodukten und treibt mit Open-Source-Technologien Infrastrukturen für die digitale Zeit voran. So wie die Bibliothek grundsätzlich für alle Menschen offensteht, sind auch Daten und Software für alle frei verfügbar. Diese Offenheit erlaubt Partnerschaften und Netzwerke, die keiner Verordnung bedürfen.

Damit folgt die Bibliothek dem Leitbild der Universität Leipzig und bildet einen "dritten Ort" in der Tradition Leipzigs als weltoffener Universitäts- und Handelsstadt. Sie übernimmt Verantwortung und treibt Entwicklungen voran, damit Bibliotheken in der vernetzten Zeit ihre gesellschaftliche Funktion als Wissensträger und Raum der Begegnung und des Austauschs wahrnehmen können.

Bibliotheken arbeiten vernetzt, heute mehr denn je. Die UB Leipzig beteiligt sich aktiv und teilweise federführend an Kooperationsvorhaben mit Bibliotheken – lokal, regional und international. Dabei setzt sie auf Open Source-Software und, wo möglich, auf nichtkommerzielle Realisierungsoptionen. Unterstützung für ihre Entwicklungen erhält die UB Leipzig von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Wissenschaftsstiftungen, vom Freistaat Sachsen und über diesen von der EU, wie derzeit drei große EFRE-geförderte Infrastrukturprojekte gemeinsam mit der Sächsischen Staatsbibliothek – Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB).

Kreativräume

Bibliotheken schaffen Kreativräume für Erfindungen – geschützte Räume, in denen Wissen zur Verfügung gestellt, aufgenommen, verändert und erweitert wird. Wie dies geschieht, muss stets neu interpretiert werden. Mit dem Bewusstsein, auch mit langer Tradition "täglich im Test" zu sein, richtet sich die UB Leipzig als Dienstleister aus und verbessert kontinuierlich ihre Zugänglichkeit offline wie online.

Die Universitätsbibliothek Leipzig verteilt sich auf derzeit sieben Standorte. Leuchttürme sind die Bibliotheca Albertina als ältestes und größtes Gebäude (errichtet 1891, umfassend rekonstruiert 2002) und die Campus-Bibliothek (errichtet 1973, umfassend rekonstruiert 2009) mit einem 24-Stundenbetrieb. Im vergangenen Jahr eröffneten die neuen Gebäude der Bibliothek Erziehungs- und Sportwissenschaft sowie der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften.

Die großen Standorte der UB Leipzig bieten den Nutzerinnen und Nutzern umfangreiche Öffnungszeiten, Selbstverbuchung mit Rückgabeautomat, ein differenziertes Angebot an Arbeitstischen und -räumen, keine Eingangskontrolle, kein Garderobenzwang, ein beliebtes Café und Imbissräume. Diese Leipziger Freizügigkeit hat sich bestens bewährt und kommt gut an.

Geisteswissenschaftliche Bildungstempel und lebendiger Austausch in aktuellen Fragen werden auch an der UB Leipzig zusammengeführt. Das zeigen beispielhaft die "Coffee Lectures", in denen wöchentlich Workshops zu aktuellen Themen des wissenschaftlichen Schreibens und Arbeitens angeboten werden oder auch die jährliche "Lange Nacht des wissenschaftlichen Schreibens". Das zeigt auch der "Thomasius-Club", der seit 13 Jahren einmal monatlich Wissenschaft mit illustren Gästen vorführt und diskutiert.

Digitale Autonomie

In den vergangenen Jahren hat die UB Leipzig mit Mitteln aus der Infrastrukturförderung der EU eine neue technische Infrastruktur geschaffen, welche die Bibliothek unabhängig von Monopolprodukten auf dem engen Markt der Bibliothekssoftware macht. Auf Basis von Open-Source-Komponenten und eigenen Weiterentwicklungen sind neu entstanden:

  • finc als Suchmaschine für Bibliotheken. Die technische Infrastruktur wurde von der UB Leipzig entwickelt und wird nun von einer Anwendergemeinschaft getragen, der in Deutschland derzeit 17 Einrichtungen angehören. Die wesentliche Innovation liegt im eigenen Metadatenmanagement und dem Aufbau des eigenen Index für elektronische Artikel, der mehr als 120 Millionen Datensätze umfasst. Es kommt auch hochmoderne branchenfremde Software (z.B. Spotify Luigi) zum Einsatz.
  • amsl als Software zur Administration von Lizenzen, dem Hauptgeschäft einer modernen Hochschulbibliothek. amsl ist eine der ersten Anwendungen von Linked Enterprise Data in Bibliotheken weltweit und ermöglicht es, die elektronischen Ressourcen im Discovery-System auffindbar zu machen und zu verknüpfen.
  • adlr als die aus finc heraus entwickelte Plattform für den Fachinformationsdienst der Medien-, Kommunikations- und Filmwissenschaft. Hier ermöglichen innovative Registrierungstools besondere Dienstleistungen: Neue Bücher werden direkt und ohne Umweg über die Bibliothek an die Nutzerinnen und Nutzer geliefert.

Auch in anderen Bereichen verfolgt die UB Leipzig konsequent neue Technologien, Open-Source-Prinzipien und offene Standards. 2016 wurde beispielsweise mit der systematischen Bereitstellung interoperabler Daten zu Digitalisaten auf Basis von Linked Data begonnen. Gegenwärtig werden im Zusammenhang eines nationalen Handschriftenportals am IIIF-Standard und modernen Viewer international arbeitend entwickelt, um die Darstellung von Digitalisaten aus komplett unterschiedlichen Quellen unmittelbar nebeneinander zu ermöglichen und so die Digital Humanities zu fördern.

Wissensschatz-hebewerk

Als größte Altbestandsbibliothek in den neuen Bundesländern (und außerhalb Berlins) arbeitet die UB Leipzig stetig an der Erschließung ihrer über Jahrhunderte gewachsenen Bestände – vor allem auch digital.

Online verfügbar sind viele der an der UB Leipzig betreuten Schätze des Weltschrifterbes ("Digitale Sammlungen"): die Papyrus- und Ostrakasammlung, Mittelalterliche und orientalische Handschriften, Nachlässe und Autographen, Portraitstiche und natürlich gedruckte Bücher und Zeitschriften.

Einzelstücke wie der Codex Sinaiticus – die älteste Bibel der Welt – haben eigene Websites (codexsinaiticus.org), so auch der berühmte Papyrus Ebers (papyrusebers.de). Für diese 3.500 Jahre alte, vollständig überlieferte medizinische Schriftrolle ist bei der UNESCO der Titel des Weltdokumentenerbes beantragt.

Knapp 60 Katalogisierungs-, Erschließungs- und Digitalisierungsprojekte wurden in den vergangenen fünfzehn Jahren umgesetzt, die meisten davon mit Drittmitteln, alle in enger Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten. Am Handschriftenzentrum der UB Leipzig werden vor allem mittelalterliche Schriftzeugen beschrieben und demnächst digitalisiert. Kuratiert und ebenfalls digitalisiert werden dort auch die 83.000 Münzen. Im sächsischen Landesdigitalisierungsprogramm hebt die UB Leipzig gemeinsam mit der SLUB Dresden weitere Schätze.

Weithin Sichtbar

Die UB Leipzig versteht sich als Bibliothek auch als Kultureinrichtung und organisiert ein gut besuchtes Veranstaltungs- und Ausstellungsprogramm. Über 60 Ausstellungen seit Wiederherstellung der Bibliotheca Albertina im Jahre 2002, rund 30 davon mit Katalog, alle mit eigens gestalteten Websites, ziehen ein wachsendes Publikum an. Monatliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen schlagen Brücken von der Wissenschaft zum allgemeinen Interesse.

Im Erdgeschoss der Bibliotheca Albertina stellt die UB Leipzig den Vortragsraum und das Café Alibi allen Gruppen an der Universität Leipzig sowie auswärtigen Veranstaltern zur Verfügung.

Bibliotheksfeste, Tage der offenen Tür und andere offene Formate der Einladung an Studierende wie Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig werden immer wieder angeboten und auf Attraktivität getestet. Dasselbe geschieht online in den sozialen Netzwerken, in denen die UB Leipzig ebenfalls aktiv präsent ist.

References

Electronic reference

Ulrich Johannes Schneider, « Porträt Universitätsbibliothek Leipzig », Arabesques [Online], 94 | 2019, Online since 14 janvier 2019, connection on 04 août 2025. URL : https://publications-prairial.fr/arabesques/index.php?id=1216

Author

Ulrich Johannes Schneider

Direktor Universitätsbibliothek Leipzig

schneider@ub-uni-leipzig.de

Author resources in other databases

  • IDREF
  • ISNI
  • BNF

Copyright

CC BY-ND 2.0