Die Bibliothek als Verlag – Elektronisches Publizieren im Open Access an der Universitätsbibliothek Heidelberg

DOI : 10.35562/arabesques.1218

Traduction(s) :
La bibliothèque comme éditrice : publication électronique en libre accès à la BU d‘Heidelberg

Plan

Texte

In den letzten Jahren hat sich die Universitätsbibliothek Heidelberg als zentrale Einrichtung einer forschungsstarken Universität in einer nationalen und internationalen Landschaft wissenschaftlicher Infrastrukturen situiert, die - wie auch die Wissenschaft selbst - von einer zunehmenden Vernetzung geprägt ist. Um als zuverlässige Akteurin in diesem Netzwerk zu fungieren und ihrer Rolle darin gerecht zu werden, setzt sie auf den Aufbau und Betrieb robuster lokaler Dienste, die zwar institutionell und geographisch verankert, jedoch keineswegs allein auf den Standort Heidelberg eingeschränkt sind.

heiRIS – Die modulare Forschungsinfrastruktur der Universitätsbibliothek Heidelberg

heiRIS (Heidelberg Research Infrastructure), die von der UB Heidelberg für die (nicht nur digitalen) Geisteswissenschaften bereit gestellte Forschungsinfrastruktur. ist keine homogene, in sich geschlossene Universalplattform. Es handelt sich vielmehr um ein strategisch über bald zwei Jahrzehnte hinweg aufgebautes und dadurch auch historisch gewachsenes „Ökosystem“ miteinander verzahnter Dienste.1 Die in diesen verteilten Systemen erfassten und archivierten Inhalte werden im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) bibliographisch erfasst und sind so übergreifend im Open Access national und auch international auffindbar und rezipierbar.

Einen wichtigen Baustein für die gesamte Infrastruktur bildet die Langzeitarchivierung der publizierten Daten. Das derzeit noch im Aufbau befindliche OAIS-konforme Langzeitarchiv-System heiARCHIVE, das gemeinsam vom Universitätsrechenzentrum und der Universitätsbibliothek Heidelberg entwickelt und betrieben wird, wird seinen Betrieb in Kürze aufnehmen.Wesentliche Komponenten bilden dabei die Open-Source-Datenmanagement-Software iRODS2 sowie ein selbst entwickelter Ingest-Workflow.

Nutznießer dieser nachhaltigen Speicherorte, Forschungsinfrastrukturen und Präsentationsplattformen für die Tiefenerschließung, Archivierung und wissenschaftliche Nutzung sind nicht nur die universitären Einrichtungen und Projekte der Universität Heidelberg. Im Kontext ihres nationalen Auftrags im Rahmen der DFG-geförderten „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID) versorgt die UB Heidelberg auch die Fachcommunity der Heidelberger FIDs arthistoricum.net (Kunstgeschichte), Propylaeum (Altertumswissenschaften) und CrossAsia (Asienwissenschaften) mit diesen Angeboten zur Open-Access-Veröffentlichung. War es anfangs nicht einfach, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von deren Vorteilen zu überzeugen, stellen die FIDs heute eine vielgenutzte Publikationsinfrastruktur für Projekte und Publikationsvorhaben der jeweiligen Fächer dar. Diverse strategische Partnerschaften mit Kultureinrichtungen und Verlagen belegen, dass die Angebote den Bedürfnissen der Fachcommunity entsprechen.

Heidelberg University Publishing (heiUP)

Einen Meilenstein in den Publikationsaktivitäten des Hauses bildete 2015 die im Auftrag der Universitätsleitung erfolgte Gründung des Open Access-Verlags Heidelberg University Publishing (heiUP) an der Universitätsbibliothek. Der primär digital ausgerichtete Verlag bietet mit einer Print-on-Demand-Option ein hybrides Publikationsmodell und setzte von Anfang an auf die Sicherung einer hohen wissenschaftlichen wie formalen Qualität. Ein wissenschaftlicher Beirat, Double-Blind-Peer-Review, professionelles Verlagslektorat und -satz garantieren die Hochwertigkeit der “goldenen” Open-Access-Titel. Für die Produktion von Monographien und Sammelbänden kommt Open Monograph Press (OMP)3 zum Einsatz.

Zunehmend ausgebaut wird die selbstentwickelte Workflow-Steuerungssoftware „Heidelberg Monograph Publishing Tool“ (heiMPT). Dieses System ermöglicht eine zeitgemäße crossmediale Buchherstellung (mit Print-, HTML-, PDF- und ggf. EPUB als Outputformaten) auf medienneutraler XML-Basis.4 Ein Schwerpunkt der aktuellen Entwicklung liegt dabei auf sog. Enhanced Publications, bei denen die zugrunde liegenden Forschungsdaten und ggf. multimediale Inhalte mit dem wissenschaftlichen Publikationstext technisch robust und zugleich benutzerfreundlich verknüpft werden. Durch die Integration der Forschungsdaten in die wissenschaftliche Publikation soll einerseits die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der präsentierten Ergebnisse erhöht, andererseits aber auch die Sichtbarkeit der primären Daten selbst gefördert werden.

Die weitere strategische Ausrichtung der Bibliothek auf Verlagstätigkeiten hat auch organisatorische Konsequenzen. So wurde ebenfalls 2015 eine neue Abteilung gegründet, die unter der Bezeichnung „Publikationsdienste“ die vielfältigen Aktivitäten im Haus bündelt, systematisch verlegerische Prozessabläufe definiert, Geschäftsmodelle entwickelt und in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für Informationstechnologie zukunftsweisende technische Verfahren und Workflows erarbeitet. Durch die Einstellung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit verlagsspezifischen Qualifikationen wurden die Kompetenzen in diesem Bereich wesentlich erhöht.

Digitale Text- und Bildeditionen

Ein weiterer intensiver Arbeitsschwerpunkt ist seit 2014 die Entwicklung einer Plattform für digitale Editionen. Seit 2018 werden diese Aktivitäten unter dem Namen heiEDITIONS vereinigt.5 Eine Pilotfunktion beim Aufbau entsprechender Kompetenzen und infrastruktureller Komponenten kam dabei dem Projekt “Welscher Gast digital” zu, einer Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich 933 “Materiale Textkulturen” in Heidelberg.6 Bei diesem Projekt wurden an der UB erstmals TEI-kodierte Transkriptionstexte als Pendant zum digitalen Faksimile in den Handschriftenviewer eingebunden. Neben diesem kamen in den nachfolgenden Jahren weitere Editionsprojekte hinzu, für welche die TEI-Infrastruktur kontinuierlich ausgebaut wurde, um nicht nur unterschiedliche Editionsgegenstände, sondern auch verschiedene editorische Paradigmen abbilden und bedienen zu können.

Das dabei eingesetzte Editionsmodul integriert sich nahtlos in die Präsentation der Digitalisate. Liegen die Transkriptionen bzw. Editionen verschiedener Textzeugen eines Werkes vor, können diese in einer Synopse einander gegenübergestellt werden. Eine Vielzahl von Anzeigeoptionen erlaubt sowohl dem Herausgeber als auch dem Leser eine hohe Konfigurierbarkeit der Textdarstellung. Besonderer Wert wurde auf die Verarbeitung editorischer Eingriffe, Normalisierungen und Anmerkungen gelegt.

E-Publishing-Angebote der Heidelberger Fachinformationsdienste

Die drei Heideberger Fachinformationsdienste (FID) verfügen ebenfalls über entsprechende eigene E-Book-Plattformen inkl. entsprechender Print-on-Demand-Angebote7. Daneben wurden fachspezifische Plattformen für Open-Access-Zeitschriften aufgebaut8. Im Fokus steht hier zum einen die Unterstützung der Herausgeber bei der Transformation gedruckter Zeitschriften in ein Open-Access-Publikationsmodell, zum anderen aber auch die Möglichkeit der Neugründung genuiner E-Journals im goldenen Open Access. Insgesamt hostet die UB mit der Open-Source-Software “Open Journal System” (OJS) des internationalen “Public Knowledge Project” (PKP), die von Heidelberg aus aktiv mitentwickelt wird, mittlerweile weit über 100 E-Journals.9

Im Zentrum der aktuellen Aktivitäten der FID steht die Weiterentwicklung der dynamischen und kollaborativen Publikationsmöglichkeiten. Strukturierte wissenschaftliche Texte sollen mit Bildern, Karten oder 3D-Visualisierungen verknüpft werden können. Durch eine ontologiebasierte Datenhaltung in einem Triple Store stehen Forschungsergebnisse mittels Linked Data weltweit zur Verknüpfung mit anderen Datenrepositorien bereit. Prototypisch erprobt wird dieses Format derzeit u.a. mit der Bereitstellung einer Publikationsplattform für digitale Werkverzeichnisse via arthistoricum.net10 sowie mit Propylaeum-VITAE11, einem biographischen Informationssystem zu Persönlichkeiten, die durch ihre Leistungen in der Archäologie und in den Altertumswissenschaften hervorgetreten sind. Im Unterschied zu gedruckten biographischen Lexika ist es dynamisch gestaltet und wird online kontinuierlich fortgeschrieben.

Zum Einsatz kommt die mit Förderung der DFG entwickelte und auf dem Content Management System DRUPAL aufsetzende Software WissKI12, deren semantisches Ontologiemodell die Nutzung von CIDOC-CRM (ISO-Norm 21127)13, aber auch projektspezifische Anwendungsontologien vorsieht. Kontrollierte Vokabulare und Normdaten (GND, Getty-Thesauri etc.) werden eingebunden. Diese webbasierte und kollaborative Arbeits- und Publikationsweise sowie die multiplen Verbindungen von Bild und Text schaffen gegenüber bisherigen Printpublikationen neue Möglichkeiten der Visualisierung und Verbreitung stets aktueller Forschungsergebnisse. So können die zwischen den in der Datenbank erfassten Artefakten oder Personen bestehenden komplexen, geographischen, überlieferungskontextuellen, sprachlichen, inhaltlichen, ikonographischen oder editorischen Bezüge komfortabel recherchiert, visualisiert und dynamisch ausgebaut werden.

Weiteres Entwicklungspotential liegt in der Mitarbeit bei den sich im Kontext der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)14 aktuell formierenden Konsortien. Ziel ist der gemeinsame Aufbau einer dezentralen, fach- und forschungsnahen digitalen Forschungsinfrastruktur mit Ressourcen, Diensten und Werkzeugen für die Erforschung von Kulturgütern. Die UB Heidelberg wird hier versuchen, mit ihren verlegerischen Aktivitäten im Bereich des Open-Access-Publizierens, eine zentrale Rolle im Netzwerk der Akteure einzunehmen.

1 https://www.ub.uni-heidelberg.de/service/openaccess/Welcome.html

2 https://irods.org

3 https://pkp.sfu.ca/omp/

4 Vgl. Effinger et al. (2018).

5 https://www.ub.uni-heidelberg.de/publikationsdienste/digitale_editionen.html

6 https://digi.ub.uni-heidelberg.de/wgd

7  arthistoricum.net – ART-Books (https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum) ; Propylaeum-eBooks (http://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum)

8  https://www.arthistoricum.net/publizieren/e-journals-mit-ojs/ ; https://www.propylaeum.de/publizieren/propylaeum-ejournals/ ; https://crossasia.org

9 https://www.ub.uni-heidelberg.de/service/openaccess/journals.html; vgl. Effinger und Büttner (2015). Zu den vielfältigen kunsthistorischen

10 https://www.arthistoricum.net/themen/wvz

11 https://www.propylaeum.de/themen/propylaeum-vitae

12 http://wiss-ki.eu

13 http://www.cidoc-crm.org

14 http://www.rfii.de/de/themen

Notes

1 https://www.ub.uni-heidelberg.de/service/openaccess/Welcome.html

2 https://irods.org

3 https://pkp.sfu.ca/omp/

4 Vgl. Effinger et al. (2018).

5 https://www.ub.uni-heidelberg.de/publikationsdienste/digitale_editionen.html

6 https://digi.ub.uni-heidelberg.de/wgd

7  arthistoricum.net – ART-Books (https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum) ; Propylaeum-eBooks (http://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum) ; CrossAsia-eBooks (https://crossasia-books.ub.uni-heidelberg.de/xasia)

8  https://www.arthistoricum.net/publizieren/e-journals-mit-ojs/ ; https://www.propylaeum.de/publizieren/propylaeum-ejournals/ ; https://crossasia.org/service/crossasia-e-publishing/crossasia-ejournals/

9 https://www.ub.uni-heidelberg.de/service/openaccess/journals.html; vgl. Effinger und Büttner (2015). Zu den vielfältigen kunsthistorischen Publikationsmöglichkeiten unter dem Dach des FIDs arthistoricum.net vgl. auch Effinger (2018).

10 https://www.arthistoricum.net/themen/wvz

11 https://www.propylaeum.de/themen/propylaeum-vitae

12 http://wiss-ki.eu

13 http://www.cidoc-crm.org

14 http://www.rfii.de/de/themen

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Référence électronique

Maria Effinger, « Die Bibliothek als Verlag – Elektronisches Publizieren im Open Access an der Universitätsbibliothek Heidelberg », Arabesques [En ligne], 94 | 2019, mis en ligne le 15 novembre 2019, consulté le 19 avril 2024. URL : https://publications-prairial.fr/arabesques/index.php?id=1218

Auteur

Maria Effinger

Leiterin der Abteilung "Publikationsdienste" - Heidelberg University Publishing (heiUP) - Universitätsbibliothek Heidelberg

Effinger@ub.uni-heidelberg.de

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